Samstag, 27. Oktober 2012

kleine ungenauigkeiten

wann sind kleinigkeiten echte kleinigkeiten? wann ist eine ungenauigkeit nur ein fehler und wann eine beleidigung? wo ziehen wir die grenze, was akzeptiert werden muss?

ich konnte diese woche wieder mal erfahren, dass viele menschen nur unverständnis äußern, wenn man sich über sexismus beschwert. wieder konnte ich mir dem vorwurf anhören, eine alte feministin à la alice schwarzer zu sein. auch wenn mir der vergleich ziemlich stinkt. auch sind die leute an sich schon empört über die tatsache, dass man scheinbare kleinigkeiten thematisiert. ja, es gibt dinge, die sind tatsächlich banal. es gibt zum beispiel rechtschreibfehler, die eher niedlich oder einfach völlig egal sind. aber es gibt auch solche, die den worten einen neuen sinnzusammenhang geben und dann gibt es unter umständen doch einen grund, sie zu korrigieren. 

und so fing alles an: vor ein paar tagen habe ich eine email an einen küchengestalter geschrieben, weil mir die werbung dieses unternehmens unangenehm aufgefallen war. sie werben auf einem bus mit dem slogan „mit kreativität machen wir ihre traumküche bezahlbar“. bemerkenswert daran ist, dass das possesivpronomen „ihre“ klein geschrieben war, es also nicht wie eine höfliche anrede sondern als ob es hier um frauen ginge. man könnte dem unternehmen unterstellen, dass in dieser werbung tatsächlich impliziert werden sollte, dass küchen sowieso ein frauenthema sind und daher es nur um "ihre traumküche" (nämlich die der frau) gehen kann. dass es schlicht eine sexistische werbung ist. ich ging eher davon aus, dass es tatsächlich einfach ein rechtschreibfehler ist. trotzdem verwundert mich, dass er nie bemerkt worden ist und, da er dem satz eine neue bedeutung gibt, fände ich persönlich es auch angemessen, den fehler zu korrigieren. was tat ich also? ich fotografierte die buswerbung und stellte dem küchengestalter per mail die frage, ob diese schreibweise beabsichtigt sei. und falls nein, warum der rechtschreibfehler nie behoben worden ist.

ich erhielt sehr zügig eine wirklich freundliche antwort vom chef des unternehmens, in dem er mir versichert, dass es tatsächlich nur ein fehler sei. dieser sei noch nie festgestellt worden und soll nun korrigiert werden. ich bin sehr zufrieden mit seiner reaktion. unzufrieden bin ich mit der reaktion von einigen menschen in meinem umfeld. bei facebook hatte ich den mailverkehr für meine bekannten und freunde öffentlich gemacht und diese kommentierten ihn zahlreich. die meisten begannen darauf herumzuhacken, wie kleinlich diese aktion doch sei. eigentlich sei es so ein banaler fehler und diesen nun zu korrigieren, koste das unternehmen geld und dann wurde ich auch gefragt, ob ich eigentlich nichts besseres zu tun habe oder unter langweile leide.

nein, ich habe keine langeweile und ich habe tatsächlich trotzdem nichts „besseres“ zu tun. ich glaube, dass gerade diese kleinen ungenauigkeiten, diese unbeabsichtigten formulierungen bedeutsam sind. ich finde es wichtig, auf sie hinzuweisen und über sie zu sprechen. natürlich kann man darüber diskutieren, ob es notwendig ist, diese werbung nun korrigieren zu lassen. auf so eine diskussion lasse ich mich sehr gerne ein. aber mit fast beleidigenden sprüchen auf die aktion zu reagieren ist einfach nur billig. da frage ich mich: habt ihr eigentlich nichts besseres zu tun?

ich stelle ausserdem dabei fest: feminismus ist nicht „salonfähig“, sondern wird immer noch belächelt (siehe auch: vom feminismus).

wo wollen wir beginnen, die gesellschaft zu verändern, wenn nicht im kleinen? und überhaupt: wenn man so denkt, gibt es eigentlich diese kleinigkeiten gar nicht. kleinigkeiten sind manchmal eben nicht nur kleinigkeiten. sie sehen nur so aus.

Freitag, 5. Oktober 2012

feilschen erlaubt

die welt ist aus meiner sicht wie ein gigantischer marktplatz voller angebote an situationen, gegenständen und personen.

viele menschen glauben weiterhin, es gäbe hier fixe preise. vermutlich einfach, weil sie fixe preise gewohnt sind. ihnen ist nicht klar, dass wir nicht alles nehmen und kaufen müssen, was uns angeboten oder aufgeschwätzt wird. sondern dass es auch dinge und situationen gibt die wir ablehnen können und teils auch müssen. weil uns der preis zu hoch ist oder einfach, weil uns das betreffende nicht gefällt.

und ein weiteres prinzip ist vielen menschen fremd geworden: das feilschen. wie auf einem flohmarkt oder einem indischen basar müssen die preise und auch die gegenstände immer wieder ausgehandelt werden, bevor wir sie mitnehmen. viele menschen halten idealismus für lächerlich, weil sie die bedingungen des feilschens vergessen haben: die kundin fordert immer etwas, was über seine eigenen erwartungen hinausgeht. wohlwissend, dass die verkäuferin das gleiche tut. irgendwo in der mitte treffen sich verkäuferin und kundin und im besten fall können beide seiten zufrieden sein.

ich denke, wir müssen uns hohe ziele, hohe ideale stecken, um zumindest den weg dahin zu begehen. beim ersten kompromiss nicht gleich aufgeben und nicht gleich argumentieren, es lohne sich ja doch nicht, zum beispiel auf die strasse zu gehen und zu demonstrieren.

unter diesem aspekt hören sich doch songs wie das wunderbare „keine macht für niemand“ von ton steine scherben (youtube-link) gleich ganz anders und gar nicht so abgefahren absurd an, oder?