Donnerstag, 13. Oktober 2011

"rassig pikant"


gestern ist er mir wieder begegnet – der begriff "rassig". ich bekomme fast eine gänsehaut, wenn ich das wort lese und höre, stelle aber immer wieder mit erstaunen fest, dass der großteil meiner mitmenschen ihn mit einer ungeheuren selbstverständlichkeit benutzen. mit einer unschuldigkeit, die mich verblüfft. eine "rassige frau" – klar, der begriff wurde so lang in dieser bedeutung genutzt, dass wir uns tatsächlich etwas darunter vorstellen können: meist eine dunkelhaarige und sonnengebräunte frau mit einem wohlgeformten, weiblichen körper, eine attraktive frau mit einer gewissen "exotik" ... das sind die assoziationen. dennoch sollte sich keiner etwas vormachen, der begriff "rassig" kommt vom wortstamm rasse. "rassig" drückt also aus, dass die person von einer fremden rasse ist, die teils als die "edle rasse", teils als die "primitive rasse" gemeint ist. sucht man im internet nach synonymen, erscheinen bald begriffe wie wild, heißblütig, vollblütig, von edler art/rasse ... sind wir hier auf einem diskurs, der die vorstellung vom "primitiven" – von dem wir denken, sie sei längst aus unseren köpfen verschwunden – ständig aktiviert?

auch auf viele heirats- und partnervermittlungen stößt man bei der suche nach "rassig" im internet. da werden vor allem frauen aus ost- und südeuropa sowie lateinamerika mit dem genannten schlagwort angepriesen. und in einigen foren fragen sich junge menschen: "was bedeutet eigentlich rassige frau für euch?". in den ganzen diskussionen findet leider nicht die nach der echten bedeutung des begriffes statt, kaum einer hinterfragt das unscheinbare wort. sowieso: "rassig" wird insgesamt stärker mit frauen als mit männern in verbindung gebracht. mit der vorstellung einer selbstbewussten und "wilden" frau, die gezähmt werden muss. eine frau, die stürmisch und leidenschaftlich und wahrscheinlich "allzeit bereit" ist. wie sexy! für mich ist das ganze ein klassisches abbild unseres männer-frauen-machtverhältnisses, das zudem stark sexualisiert ist.

häufig wird der begriff "rassig" in zusammenhang mit dem kleinen – ebenso scheinbar belanglosen - wort "zigeuner" gebracht, auch das gilt heute als politisch inkorrekt, weil es genauso wie "neger" zu häufig in abwertender form verwendet wurde. historische altlasten eben, mit denen wir heute leben müssen.

ihren höhepunkt erreicht meine empörung jedoch bei kraft foods. die werben doch tatsächlich für eine "zigeunersauce – rassig pikant" (siehe zigeunersaucenverkauf online). da treffen direkt zwei begriffe aufeinander, die nicht haltbar sind und werden in der kombination zu einer verdopplung von politischer inkorrektheit. wer denkt sich sowas aus? skandalös finde ich das, ignorant und ekelhaft.

11 Kommentare:

  1. Liebe Johanna,
    schicke doch deine Gedanken an Foodwatch, da lässt sich doch vielleicht was ändern in unserer Gesellschaft! Wäre gut wenn viele Leute bewusster mit der Sprache, ihren Mitmenschen und dem Essen umgehen. Lg, Kerstin

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  2. Liebe Johanna,
    als ich deinen jüngsten Artikel gelesen habe, war ich ein wenig verblüfft. Ich gehöre zwar nicht zu den Menschen, die den Begriff "rassig" im aktiven Wortschatz verwenden, doch ich verabscheue ihn auch nicht. Ich verbinde ihn weder mit rassistischen Gedanken, noch würde ich seine heutige Bedeutung vom Wortstamm ableiten. Zugegeben, es ist kein glückliches Wort, und ich mag es wie gesagt selbst nicht sagen oder schreiben. Doch das liegt eher am Kontext, in dem es verwendet wird, der auch über die Bedeutung und Bewertung entscheidet.

    Heirats- und Partneranzeigen mit Frauen aus einem Katalog finde ich an sich bereits widerlich und verwerflich - ob rassig oder nicht, spielt da eine untergeordnete Rolle.

    Auch bei den erwähnten sexualisierten männlichen Phantasien ist es mehr die Bedeutung als der Begriff, die auf ein bestimmtes Verständnis einer Männer-Frauen-Beziehung hinweist. Doch wäre es in deinem Sinne wirklich besser, wenn die Rede stattdessen von exotischen, feurigen, wilden, erotischen Frauen wäre?

    Auch sehe ich keine feindliche Abwertung im Sinne von "primitiv", wenn jemand nicht rassig erscheint. Drückt es nicht auch einfach eine persönliche Vorliebe für einen bestimmten Typ aus? Was ist mit all den Frauen, die auf Latinos stehen und Muskelpakete sexy finden? Oberflächlich? Mag sein. Bevorzugen sie einen bestimmen Typ Mann? Ganz sicher. Ist das gesellschaftlich verwerflich oder politisch inkorrekt? Sicherlich nicht.

    Der Begriff "rassige Zigeunerin" hat Einzug in die Kunst gefunden (es gibt Malereien mit diesem Titel), und es gibt Gerichte mit diesem Titel. Er hat sich eingebürgert, und es scheint so, als würde diese Bedeutung gesellschaftlich akzeptiert und eben nicht politisch inkorrekt sein, wie ja selbst deine eigene Recherche ergab. Denn hier steht kein rassistischer Gedanke dahinter. "Zigeunersauce" war ursprünglich bestimmt nicht abwertend sondern eher ethnisch gemeint - zu einer Zeit, als der Begriff "Zigeuner" ebenfalls nicht abwertend verwendet wurde.

    Ganz nebenbei gesagt finde ich so manche politische Inkorrektheit übertrieben. Wie soll ich jemanden beschreiben, der dunkelhäutig ist, wenn ich nicht mal "schwarzer Mann" sagen darf? "Neger" ist tabu. Klar. "Mensch afrikanischer Abstammung"? Woher soll ich das wissen?! Könnte ja auch deutsche Vorfahren haben, und mit dieser Bezeichnung würde ich nicht die Hautfarbe, sondern die ethnische Herkunft beschreiben. "Dunkelhäutig"? Selbst das ist grenzwertig. Eigentlich ist es überhaupt politisch inkorrekt, die Farbe der Haut von Schwarzen zu benennen, denn man könnte ja Rassismus hineininterpretieren. Ich glaube, dass die Lösung nicht darin liegt, neue, unverbrauchte Begriffe zu finden, sondern die Dinge einfach beim Namen zu nennen. Auch wenn ich "schwarzer Mann" oder sogar "Neger" sage, habe ich trotzdem keine rassistischen Hintergedanken. Wir wären einen Schritt weiter, wenn mir das auch niemand unterstellen würde, und eben nicht nachfragt, wie ich das meine, sondern meine Einstellungen gegenüber Fremden aus stichhaltigeren Hinweisen erschließt.

    Ich würde keine rassige Zigeunersauce kaufen, weil ich sie einfach nicht mag. Aber verwerflich finde ich die Bezeichnung nicht. Denn ich glaube, dass die Namensgeber keine diskriminierenden Absichten hatten, und das ist es meiner Meinung nach, was zählt.

    Liebe Grüße,
    David

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  3. lieber david,
    ganz kurz möchte ich dir auf deinen kommentar (danke!) antworten. ich sehe das nämlich wirklich ganz anders als du. nur weil die firma kraft foods oder deren marketing-abteilung sich vermutlich nichts "böses" dabei gedacht hat, ist es für mich noch nicht in ordnung. ich finde es problematisch, wenn mit solchen begriffen zu simpel umgegangen wird. "wir haben uns nichts dabei gedacht" ist meiner meinung nach einer der tragischsten begriffe unserer gesellschaft. viel zu oft wird nicht hinterfragt und nicht hinterdacht.
    gut, meine texte sind provokant, aber auch das finde ich wichtig. quasi als ausgleich zu all denen, die sich zu selten aufregen :)
    ich werde demnächst noch einen allgemeinen text zu diesem thema hochladen, vermutlich schon in ein paar stunden.
    freu mich über weitere feedback!
    johanna

    p.s. im übrigen bin ich auch große vertreterin von begriffen wie "schwarz" oder "dunkelhäutig" und verwende diese auch. jedoch würde ich niemals "neger" oder "zigeuner" ernsthaft sagen, diese begriffe sind mir zu sehr vorbelastet.

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  4. Liebe Leute,

    bin gerade über ein Flugblbatt gestolpert, dass zumindest die Eigenperspektive eines Teils der deutschen Sinti und Roma darstellt.

    http://www.internationale-wochen-gegen-rassismus.de/wp-content/uploads/11_02_09_BD_IKR_Sinti_Roma_Druckvorlage.pdf

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  5. Hallo Johanna,
    ich sehe das Negative an einer "wilden" Frau nicht. Wenn eine Frau wild ist, dann ist das für mich eher etwas Positives.
    Außerdem kann ich deiner Ausführung nicht folgen in der du von "rassig" auf einmal auf das Männer-Frauen-Machtverhältnis kommst.
    Kann man von dem Wort "schnöselig" auch auf ein Männer-Frauen-Machtverhältnis kommen?

    Zu den Worten "Zigeuner" und "Neger" kann ich nur sagen, dass ich diese Worte äußerst gerne gebrauche, gerade weil sie politisch inkorrekt sind und ich es immer recht amüsant finde, wie verklemmt doch damit umgegangen wird. In der Art wie ich mich äußere, lasse ich aber denke ich keinen Zweifel daran, dass ich kein Rassist bin. Wie du schon gesagt hast, wurden diese Worte früher in einer negativen Art und Weise verwendet. Ich bin jedoch der Meinung, dass Konnotationen von Wörtern auch teilweise durch den Sender bestimmt werden und je häufiger man so ein Wort in einem positiven oder neutralen Zusammenhang verwendet, desto positiver wird auch seine Konnotation.

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  6. hallo herrnachbar,

    ich finde auch nicht, dass eine wilde frau direkt etwas negatives ist. ich denke nur, dass der zusammenhang, in dem dies oft verwendet wird, problematisch ist. und das ist auch meine schwierigkeit mit den begriffen. "zigeuner" und "neger" kannst du meinetwegen gerne bewusst verwenden. mich stört nur, wenn sie unbewusst und unreflektiert verwendet werden. dazu sind sie zu sehr vorbelastet. und das stört mich dann eben auch an einer "rassig pikanten zigeunersoße"!

    ich glaube nicht, dass dein wort "schöselig" in diesem zusammenhang logisch ist. wie kommst du auf diesen begriff? mein text soll darauf hinweisen, dass "rassig" oft in verbindung mit einem bestimmten typ frau gebraucht wird (zumeist frauen aus osteuropa). das damit bestimmte charakteristiken benannt werden sollen, ist doch klar. und ich denke: ja, sie sind sexistisch. und ja, sie sind diskriminierend und frauenverachtend.

    noch immer unverständlich?

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  7. wenn ich in google "rassiger mann" und "rassige frau" eingebe krieg ich beim mann mehr treffer, ich kann dir beim rest sicher zustimmen worte wie zigeuner und neger sollten wenn dann nurmehr im historischne kontext und ganz bewusst und reflektiert verwendet werden.

    wie du aber den link von rassige frau zu sexismusfindest kann ich nicht verstehen da der begriff rassig genauso für männer verwendet wird.

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  8. Der begriff "Rasse" hat nur in Deutschland, Dank des Nationalsozialismus, einen negativen Beigeschmack.
    "Rasse" ist genauso wertfrei wie "Arbeit" oder "Sonne" oder "Essen".
    Es ist der Kopf, bzw. die gesellschaftliche Erziehung die gerne die Geschichte veraendern will, der hier den Schauder ausloest, und nicht der Begriff.

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  9. Mal ein gutes Beispiek zu diesem Thema:

    Vor kurzem wurde ein Zeitungsartikel zu einer Auffuehrung der pupenfee geschrieben. Hier tanzte unsere Tochter ( professionelle klassische Taenzerin) die arabische Puppe auf Spitze ( danse Arabe v. Tchaikowsky) und im 2ten Akt praesentierte sie dem Publikum einen klassisch aegyptischen Baladi. Der Zeitungsartikel lautete dann wie folgt:
    " Als Araberin praesentierte sich XYZ, eine ehemalige Schuelerin , die inzwischen beim Ballettfoerderzentrum in Nuernberg zur Dipl. Buehnentaenzerin ausgebildet wurde. Die rassige junge Dame begeisterte mit einem selbst choreografierten Bauchtanz."
    Die Kollegen und Kolleginnen in Nuernberg waren schockiert und fanden diesen Beitrag doch "leicht rassistisch" zumal hier kein Wort vom klassischen Ballett gefallen ist.
    Wie kann es auch anders sein: Unsere Tochter ist haitianisch-deutscher Abstammung ....

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  10. Etwas spät, aber der Begriff der Rasse ist nicht nur falsch weil er in Deutschland einen negativen Beigeschmack hat, mit Verlaub, das ist Blödsinn. Der Begriff wird in allen Sprachen der Welt diskutiert, es gibt etliche Artikel zu Race (und gender) und darüber dass es gar keine Rassen gibt, solche sind weder biologisch noch kulturell nachweisbar. Seit Jahren wird versucht die Bundesregierung dazu zu bewegen das Wort Rasse aus dem Grundgesetz zu streichen, da es keine Rassen gibt, bisher ohne Erfolg.
    Ich finde das Wort rassig ebenfalls sehr anstößig und nein nur weil man etwas 'ohne böse Absicht' sagt wird es nicht besser

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  11. Vielen Dank für deinen Artikel! Weiter so : ))

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