Dienstag, 17. April 2012

tagebuch der empörung teil III

1.) seit einem monat gilt in der russischen großstadt sankt petersburg ein gesetz, das homosexuelle im großen stil diskriminiert. auch vorher schon war es riskant, sich als homosexuelles paar in der öffentlichkeit zu zeigen. mit dem neuen gesetz ist es auch noch für jeden menschen verboten, über gleichgeschlechtliche liebe zu sprechen! im gesetzestext wird homosexualität mit pädophilie fast gleich gesetzt, was eine weitere stigmatisierung erzeugt. bei demonstrationen gegen diesen neuen diskriminierenden maulkorb wurden bereits einige aktivisten festgenommen. das gesetz, das nun in sankt petersburg die homophobie hochhebt, soll in ganz russland gültig werden.

2.) auch in bahrain werden ständig menschenrechte verletzt. in den vergangenen monaten wurde verschärft gegen demonstranten vorgegangen, zahlreiche kamen dabei ums leben. trotzdem wird hier mitte april das formel-1-rennen stattfinden. und sebastian vettel fällt dazu nur wenig weltmeisterhaft ein, man dürfe sich nicht in fremde angelegenheiten einmischen. mir fällt dazu sein: es wäre ein wichtiges zeichen, eine veranstaltung in dieser größenordnung abzusagen. das gleiche gilt im übrigen auch für den eurovision contest in aserbaidschan – das autoritäre regime geht nicht weniger scharf gegen dissidenten vor. soll das wirklich unterstützt werden?

3.) rausreden scheint die echte taktik zu sein. ein stahlwerk von thyssen krupp in rio de janeiro macht das leben der bevölkerung schwer. menschen, die in der umgebung der großen anlage leben, haben mit starken juckenden und schmerzenden ausschlägen zu kämpfen, die fische im nahe gelegenen fluss sind so gut wie ausgestorben. brasilianische organisationen führen das auf den metallstaub zurück, der regelmäßig über den siedlungen herunterkommt. wissenschaftler stellten fest, dass darin giftige schwermetalle enthalten sind. fischer haben bereits wiederholt gegen das stahlwerk geklagt. thyssen krupp redet sich raus, es habe probleme gegeben, aber man habe vieles richtig gemacht. sie behaupten sogar so dreist, es sei nur graphit im metallstaub enthalten und spielen die gesundheitliche belastung herunter. profit wird einfach immer wieder zulasten anderer gemacht. und da wird nicht nur von seiten thyssen krupp mindestens ein auge zugedrückt.

Mittwoch, 11. April 2012

was gesagt werden muss

eigentlich genial: seit einer woche ist das aufreger-thema schlechthin in den medien ein gedicht. dass lyrik es soweit in die öffentlichkeit bringt, ist selten und ist wertvoll in meinen augen. aber ist diese lyrik an sich auch wertvoll? es wird zeit, dass ich dazu auch noch etwas loswerde. denn es gibt tatsächlich einiges, was gesagt werden muss.

günter grass ist eine schwierige und umstrittene person. allein wegen der tatsache, dass er selbst immer wieder auf einzelne personen und deren vergangenheit im zweiten weltkrieg hinwies, es jedoch versäumte, seine eigene darzustellen. skandalös ist, wie er das umging. nun schreibt er ein gedicht.

ja, es stimmt. israel gefährdet den weltfrieden. genauso wie viele andere staaten den weltfrieden gefährden. sicher gehört iran dazu. es stimmt, was er sagt, und es stimmt, dass wir darüber sprechen müssen. schweigen ist in diesem fall kein gold! grass übertreibt aber auch. das thema israelische atomwaffen ist nicht unter ein tabu gestellt, auch in den westlichen medien nicht. die lieferung der u-boote ist keinesfalls unumstritten. man könnte sagen, er lässt einige informationen aus, die relevant sein könnten. ob er das mit absicht tut? oder ob es ihm nicht wichtig erscheint?

in jedem fall: ich finde es wichtig, dass auch menschen in deutschland keinen maulkorb tragen müssen, wenn es um israel geht. ich finde es wichtig, dass wir auf den punkt bringen dürfen, was wir erleben und sehen. ich finde es wichtig, dass solche lyrik möglich ist. auch in deutschland. oder gerade in deutschland? wer hier zum schweigen aufruft macht einen fatalen fehler. denn schweigende mitläufer, das hatte deutschland im zweiten weltkrieg genug. diese schweigende und zuschauende masse machte leid und verbrechen erst möglich. ansonsten kann ich nur wiederholen, was ich im prinzip schon in meinem artikel nach meiner israel-reise betont habe (historische altlasten auf reisen): es ist furchtbar, dass wir, die jungen menschen, diese historische altlast zu tragen haben. ich bin wütend, dass ich so unfrei bin aufgrund dieser schrecklichen verbrechen im zweiten weltkrieg. ich bin unglaublich wütend, sobald ich daran denke.

ich denke, dass günter grass der falsche ist, die kritik an der politik des staates israel zu äußern. er ist aufgrund seiner eigenen geschichte eindeutig in der falschen position. aber grundsätzlich hat er recht mit dem, was er sagt.

was gesagt werden muss: die person ist falsch. die aussage nicht.

Mittwoch, 4. April 2012

radikal gedacht

immer wieder höre ich in diskussionen: "sei nicht so radikal!". und auch mein blog erscheint manch einem zu radikal. für viele gilt scheinbar immer noch das maß des angeblich goldenen mittelweges. und sicher hat dieser seine berechtigung in vielen bereichen. aber manchmal muss man einen weg rechts oder einen weg links davon einschlagen, soviel ist für mich sicher. wenn radikal bedeutet, neue gedanken zu formulieren, abweichend vom durchschnitt zu denken, zu handeln, zu fühlen, wenn radikal bedeutet, der gleichgültigkeit einen strich durch die rechnung zu machen – ja, dann bin ich unglaublich gern radikal. dann will ich radikal sein. und will sogar andere dazu aufrufen. irgendwie radikal? eigentlich überhaupt nicht. ich bin sicher nicht extrem. ich habe gewalt schon immer abgelehnt. ich gehöre nicht zu den steine-werfern. ich will aber auch nicht zu den mitläufern gehören. ich glaube, dass es etwas dazwischen gibt. ich bin gegen abschiebung von flüchtlingen und gegen diskriminierung und fremdenhass. ich habe ein problem mit nazis und deren gedankengut. ich bin gegen atomkraft. dafür glaube ich an kostenlose bildung und chancengleichheit. ich bin für ein bedingungsloses grundeinkommen, immer noch. ich glaube an keinen gott, dafür an menschen, die etwas bewegen können. und ja, wenn das alles radikal ist – dann bin ich es gerne.

ich hoffe, dass sich viele immer wieder auch auf seitenwege wagen. zumindest mal rüberschaun. und mal ausprobieren. denn wie kurt marti sagt: "wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin, und niemand ginge, um einmal zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge".

denn: beim kampf um die menschenwürde gibt es keinen goldenen mittelweg.