Montag, 23. Dezember 2013

von polizeigewalt

die ereignisse in hamburg um die rote flora zeigen wieder mal, wie einseitig unsere berichterstattung in den medien ist. pressemitteilungen der polizei werden unkommentiert und unreflektiert übernommen, als seien sie eine neutrale instanz. tage später, wenn augenzeuginnenberichte dazukommen, wird das erfahrungsgemäß oft revidiert oder zumindest relativiert. doch dann sind die bilder schon festgefahren, denn so flexibel ist die deutsche durchschnittsbürgerin nunmal nicht. von hunderten gewaltbereiten, vermummten demonstrantinnen, die wieder mal alle regeln brechen und steine werfen. von polizistinnen, die sich opferbereit dagegen stemmen, um weitere schäden zu verhindern und dabei selbst schaden nehmen. das ist die eine seite der medaille. und wahrscheinlich gibt es auch diese demonstrantinnen und es gibt auch diese polizistinnen. aber genauso gibt es die andere seite der medaille. eine viel größere anzahl an friedlichen demonstrantinnen, die in ihren rechten eingeschränkt werden. und ja, auch eine gewisse anzahl an gewaltbereiten und aggressiv auftretenden polizistinnen. einer mangelnden kennzeichnungspflicht sei dank können diese schwer erkannt und benannt werden. das passt denen da oben so schön. es passt ihnen auch, dass die journalistinnen sich nicht selbst ins getümmel wagen, sich nicht ein eigenes bild machen und sich trauen, darüber zu berichten. nein, erstmal werden pressetexte der polizei übernommen in ermangelung eigener berichte. ein paar tage später kommen dann andere seiten hinzu, nicht nur in den klassischen linken medien. auch der ndr beispielsweise berichtet mittlerweile kritisch und mit vielen fragezeichen (z.b. hier). 

es ist nicht das erste mal, dass man diese form der polizeigewalt über die medien beobachten kann, leider. aber die ereignisse dieser woche in hamburg sind ein paradebeispiel für genau diese vorgänge. in den köpfen bleiben nur linke steinewerferinnen und krawallmacherinnen – sowieso alles schwarzer block, d.h. böse menschen. und wer irgendwie dabei war, ist auf jeden fall auch einer dieser bösen menschen. und wer darüber spricht, sich empört, und versucht, die andere seite aufzuzeigen ist naja, auch schon ein ganz bisschen ein böser mensch. so wie ich.

Samstag, 23. November 2013

schatten der nacht

ich lebe in einer eher beschaulichen stadt, die für ihre romantik bekannt ist. besonders groß ist sie auch nicht und viele bewohner glauben, hier gibt es keine kriminalität und hier würden alle in frieden miteinander leben.

vergangene nacht war ich in einem club tanzen. ein grüppchen jungs fällt mir und meiner freundin auf, um die 20 jahre alt sind sie etwa. man merkt, sie sind auf streit aus. sie sind (vom alkohol?) aggressiv und in pöbellaune. ganz in der nähe tanzt ein schwarzer, zu dem bewegen sie sich hin. von entspanntem tanzen kann keine rede mehr sein, ich warte angespannt ab, was passieren wird, obwohl es in diesem club eigentlich immer sehr friedlich zugeht. und dann: sie prügeln nicht, sie beschimpfen nicht. sie gehen viel feiner vor. sie tanzen so neben ihn, dass sie ihn „wegtanzen“, er hat kaum mehr platz. als er sie darauf hinweist, schauen sie ihn verächtlich an. er wird weiter angeboxt. nach einer weile geht er raus. später sehe ich ihn draussen sitzen und spreche ihn an. ob alles ok ist und was die jungs zu ihm gesagt haben, möchte ich wissen. er meint, es sei alles ok, aber diese kerle wären auf stress aus gewesen. ob ich wüsste, was deren problem sei?

was soll ich antworten? dass sie offensichtlich ein problem mit schwarzer haut haben? dass sie rassisten sind?

was ist denn eigentlich deren problem?

einige zeit später brauche ich frischluft und ich gehe vor die tür. ich gehe ein paar schritte in der dunklen gasse entlang. drei jungs kommen auf mich zu, umringen mich. der eine sagt: „hey, ich hab 22,3 cm in der hose, magst du mal anfassen?“ der zweite meint: „ach, ich hab noch 5 cm mehr. glaubst du nicht, oder? komm, lang hier mal hin“. der dritte lacht dümmlich. ich reagiere empört und mache mich auf den weg nach drinnen. ja, sie haben mich nicht berührt, aber sie verletzen mich mit worten. sie machen angst. sie nutzen die situation der dunklen straße. es macht mich unglaublich wütend. darauf, dass ich mich in der straße fürchten muss. dass ich mir solche sprüche anhören muss. das mit mir und meinen ängsten gespielt wird. das ist sexuelle belästigung. und nein, das ist kein lustiger scherz.

Sonntag, 3. November 2013

von rechten

mit freude erfüllen mich die bilder aus hamburg, die heute durch die presse gehen: 9000 menschen (9000 menschen!) sind für die flüchtlinge auf die straße gegangen (z.b. bericht vom ndr). es zeigt mir, dass es doch überall menschen gibt, die füreinander einstehen.

gleichzeitig erreichen mich meldungen über die demonstrationen in schneeberg gegen ein asylbewerberheim (publikative.org). hier hat es die npd mal wieder geschafft, viele menschen mit ihrer hetze zu erreichen und zu einem gemeinsamen demonstrationszug zusammenzubekommen. die angst vor ankommenden flüchtlingen, von denen angeblich kriminalität und damit gefahr ausgeht, ist groß. geschürt hat sie unter anderem die rechtsextreme partei, jedoch auch einzelne wortführer aus allen richtungen. aber natürlich fruchtet solche hetze nur, wenn die grundhaltung der menschen diesen parolen nicht direkt widerspricht. sie muss auf fruchtbaren boden fallen, um durchzukommen. latente vorurteile gegenüber flüchtlingen, die aus unwissenheit, einzelnen schlechten erfahrungen oder berichten aus der yellow press stammen, können leicht angestachelt werden. es macht mich traurig und ich frage mich, ob diese menschen jemals in kontakt waren mit einem solchen flüchtling. ob sie ausländische freunde haben. mir selbst hat es oft die augen geöffnet, wenn ich mit asylbewerbern zu tun hatte. wenn ich erlebt habe, wer nach deutschland kommt und weshalb. dass diese menschen auch einfach menschen sind und menschenwürde erfahren wollen. und auch: dass sie sich  gerne einbringen möchten und nur allzuoft daran gehindert werden. dass wir freunde werden können. kein mensch ist illegal.

menschenwürde hätte ich auch gerne vor drei wochen in göppingen erfahren. bei den protestaktionen gegen die nazi-demonstration am 12.10. wurde ich gemeinsam mit 200 anderen in polizeilichem gewahrsam gehalten. etwa sechs stunden lang in eisiger kälte ohne essen und mit kaum etwas zu trinken wurden wir in einer art käfig festgehalten. wir waren in unseren freiheitsrechten beraubt.  zur sammelstelle gefahren wurden wir mit einem gefangenentransporter der polizei in zellen. wie schwerverbrecher wurden wir behandelt, zu den kleineren machtspielchen gehörte das duzen. keine presse war vor ort, kaum einer berichtet heute über die zustände dort. viele aus angst, viele aus unwissenheit. erst langsam kommen diese infos ans licht. ich war dabei, ich weiss, was alles passiert ist vor ort und wie es sich angefühlt hat. und ich weiss, dass in den pressemitteilungen der polizei nur teile der wahrheit genannt wurden und einiges verdreht wurde. das hat mich für einige wochen fast sprachlos gemacht. ohnmächtig fühle ich mich und ausgeliefert. handlungsunfähig. und am ende bleibt nur die wut.

Mittwoch, 21. August 2013

von tradition

vergangene woche forderte ein verein von sinti und roma die hersteller der sogenannten „zigeunersoße“ auf, ihr produkt umzubenennen. der begriff „zigeuner“ gilt lange schon als diskriminierend, wieso sollten also rote paprika-soßen so heißen? von den herstellern (unilever for allem) kommt das argument, man nenne diese soße nun einfach schon seit 100 jahren so.

das mag ja sein. aber stimmt das argument? ich meine nicht. nur weil man etwas immer schon so machte, sagt das nichts über die zulässigkeit von handlungen heute. beispielsweise ist es heute verpönt, seine kinder zu schlagen, auch wenn es vor 100 jahren noch teil der erziehung war. da sagt doch heute euch kaum einer, „was damals rechtens war …“!

ich verstehe die sorge der hersteller, dass ein produkt sich natürlich besser verkauft, wenn es unter dem namen bekannt und beliebt ist. aber mal ehrlich: wieviel trauen die ihren kunden zu? vielleicht ist der käufer die ersten male irritiert, wenn er ins regal greift und keine „zigeunersoße“ findet sondern eine „paprikasoße“, eine „pikante soße“ oder ähnliches. aber nach ein paar mal einkaufen hat man sich doch dran gewöhnt. soviel flexibilität traue ich dem menschen zu! und wer diese flexibilität nicht hat, sondern dinge so nennt, wie man sie immer schon so nannte, und dinge tut, weil man sie immer schon tat, der muss einem sowieso leid tun.

ich weiß, vielen schmeckt politische korrektheit nicht. aber für mich hat das festhalten an diskriminierenden begriffen, mögen sie noch soviel tradition transportieren, einen faden beigeschmack. nein, ich finde das sogar geschmacklos.

p.s. übrigens hatte ich schon vor zwei jahren über das thema geschrieben (rassig pikant). speziell über „zigeunersoßen“, die zusätzlich mit „rassig pikant“ klassifiziert sind. dass sich sowas hält, macht mich sprachlos.

Freitag, 2. August 2013

vom schönsein

es ist sommer, endlich ist es heiss. ohne kurze hosen und röcke geht’s bei über 30 grad fast gar nicht, das gilt auch für die, die sonst nicht soviel haut zeigen. jedes jahr aufs neue finde ich verrückt, wie verpflichtend die rasur von körperbehaarung bei frauen ist. überall sehe ich nur noch glattes, rasiertes frauenbein und auch männer hat diese mode mehr und mehr im griff. das betrifft natürlich auch die achselhaare. eine gute gelegenheit mal wieder über unsere schönheitsideale nachzudenken.

in gesprächen mit freunden und bekannten kommt es immer mal auf das thema beinbehaarung. egal, ob helles oder dunkles haar, egal, ob üppig bewachsen oder kaum zu sehen – das muss alles ab! da ist man sich ziemlich einig. in der begründung wiederum liegen unterschiede: da sei ja einfach nicht schön. und dann immer wieder die frage: finden das nicht männer voll eklig, wenn man beinbehaarung hat?

sicher gibt es menschen, die das eklig finden. manche finden „oberlippenbärte sind die absolute härte“ und manche wiederum finden achselhaare abstoßend. haare sind nicht gerade beliebt in unserer gesellschaft. schade eigentlich. haare sind immerhin nicht sinnlos, sondern haben ja ihre aufgaben und sie können – wenn sie gepflegt sind – teil der mode sein. aber daher gleich ganz ab, alles? auch die komplette intimrasur hat sich mittlerweile so durchgesetzt, dass alles andere als „anders“ und selten gilt (taz.de).

es ist natürlich eine frage des geschmacks. und jeder sollte darüber selbst entscheiden dürfen. nichts liegt mir ferner, als jemandem vorzuschreiben, wie er sich wo wann rasieren solle. aber haben wir da immer so eine freie wahl? wo ist die grenze zwischen dem eigenen schönheitsempfinden und dem öffentlichen schönheitsideal? manche rasieren sich, weil sie angst haben, als eklig wahrgenommen zu werden. weil sie verspottet werden, wenn sie nicht dem haarlosen ideal entsprechen. manche rasieren sich, weil sie denken oder auch wissen: andere finden das schön. ohne sicher klarzubekommen, was sie selbst noch schön finden. da schließ ich mich nicht aus – meine eigenen vorstellungen von schönheit sind stark gesellschaftlich geprägt, sich komplett loslösen davon ist vermutlich unmöglich. aber sich immer wieder gedanken darüber zu machen, hilft. zu reflektieren: was will ich eigentlich? wie finde ich mich selbst schön, wie fühle ich mich wohl?

die intimrasur der frau wurde im feministischen diskurs immer auch deshalb als problematisch bezeichnet, weil sie die erwachsene frau verniedlichen will, sie zum kind macht. Dies wird auch als infantilisierung der frau bezeichnet und unter anderem in einem artikel von andrea heinz mit dem titel „mein busch gehört mir!“ (anschlaege.at) zum thema gemacht. es zeigt, dass das persönliche auf seine weise auch politisch ist. und schönheit nicht nur subjektives wahrnehmen ist. schönsein bedeutet für viele soviel stress, dabei können wir doch auf so unterschiedliche weisen schön sein. sich das bewusst zu machen, macht sogar schön. denn: schön ist doch der, der sich in seiner haut (und seinem haar) wohlfühlt.

sowieso: der sommer ist eine viel zu tolle jahreszeit, als sich über das aussehen des eigenen körpers zu sorgen. nu ab nach draussen!

Sonntag, 7. Juli 2013

von zivilcourage

in den letzten wochen kamen immer wieder meldungen von vesuchten abschiebungen, die durch flugreisende verhindert oder zumindest aufgeschoben werden konnten (jetzt-süddeutsche). eines der faszinierenden beispiele war der kanadier françois-xavier sarrazin, der kurz vor seinem trip nach budapest erfuhr, dass mit ihm im flugzeug ein flüchtling in sein heimatland transportiert werden sollte. sarrazin weigerte sich im flieger, sich zu setzen und verhinderte so die abschiebung nach pakistan. die taz hat ein interview mit ihm gemacht (taz-interview), in dem er erzählt, wie diese ganze aktion ablief, die er überhaupt nicht geplant, sondern die ihn selbst überrascht hatte. er beschreibt, dass die menschen um ihn herum verängstigt waren und ihn baten, sich zu setzen. er tat es nicht, in der großen überzeugung, das richtige zu tun. ich bewundere diesen mann und diese aktion. auch wenn mir unklar ist, was mit dem pakistantischen flüchtling später passierte. es ist immerhin davon auszugehen, dass die abschiebung direkt mit dem nächsten flieger oder am nächsten tag erneut durchgeführt wurde. aber man stelle sich nur einmal vor, in jedem flugzeug wäre auch nur eine person, die die situation erkennt und eingreift! auf diese weise könnte bewirkt werden, dass die flüchtlinge zumindest das recht bekommt, mit einem anwalt zu sprechen. oder gar die chance, in deutschland bleiben zu können.

für die meisten von uns ist eine flugreise etwas schönes. sie bringt uns in ein fernes land, in dem wir uns weitgehend frei bewegen können.sie verspricht entspannung und erholung. oder sie bedeutet der schlichte transport zu einem geschäftlichen meeting. für andere jedoch kann der gleiche flug bedeuten, in ein land abgeschoben zu werden, das man längst nicht mehr heimat nennen kann. weil man dort gefahr läuft, eingesperrt, misshandelt, gefoltert oder gar getötet zu werden.

der gedanke macht mich traurig und wütend. ich denke an die liebenswerten menschen, die ich kennen gelernt habe. zum beispiel die junge frau aus einem westafrikanischen land, die aufgrund ihrer homosexualität von der familie bedroht wurde. sie flüchtete, weil ihr das leben genommen werden sollte. in deutschland angekommen, hat sie kaum eine chance, dies zu beweisen. homosexualität sei in dem land, aus dem sie kommt, ja gesetzlich nicht verboten, so die behörden. ob homosexuelle menschen jedoch vor ort gesellschaftlich anerkannt und akzeptiert werden, das interessiert hier keinen. und ich denke an den brief, in dem ihre mutter mit aller deutlichkeit schreibt: „komm ja nicht zurück, du bist nicht mehr teil unserer familie. wir werden dich töten“. und die behörden fragen: „woher sollen wir wissen, dass du nicht selbst diesen brief geschrieben hast?“ sie glaubten ihr nicht und forderten beweise.

die wut über diese vorgehensweise bereitet mir bauchschmerzen. was ist zu tun? ich glaube, es braucht den mut aufzustehn. es braucht die stärke, sich zu widersetzen. zivilcourage ist genau das, was in solchen situationen gefragt ist. denn wir als einzelpersonen können nicht die zustände in den herkunftsländern verändern. aber: wir können die zustände bei uns verändern. die verantwortung liegt auch bei uns.

nichts zu tun ist nicht neutral.

Montag, 10. Juni 2013

randnotiz

vergangene woche wurde öffentlich, dass die universität leipzig ihre grundordnung umformuliert. ab sofort werden in dem offiziellen dokument nur noch weibliche personenbezeichnungen verwendet, also „die professorin“, „die wissenschaftlerin“, „die studentin“ etc. in einer fussnote soll darauf hingewiesen werden, dass selbstverständlich auch männer damit gemeint seien. der senat hatte dies beschlossen. während die einen diesen entschluss feierten, gingen bei anderen sofort die alarmglocken los. das wurde vor allem in der netzgemeinde sichtbar, in der rege diskussionen entbrannten. die weit verbreitete angst vor zuviel political correctness kam wieder mal zu tage, noch weiter gingen jedoch diejenigen, die im internet beschimpfungen für die leipziger rektorin oder gegen den feminismus im allgemeinen parat hatten.

zunächst einmal für diejenigen, die das ganze für sinnlos halten: natürlich verändert die umformulierung des dokuments nicht die welt. aber auf diese weise können denkstrukturen gelockert und diskussionen über unsere männlich dominierte sprache gestartet werden. na, das ist doch was!

im übrigen halte ich die umformulierung der grundordnung überhaupt nicht für revolutionär. eigentlich ist es doch eine ganz normale kleine angelegenheit. wer sollte sich daran stören? wenn sich die frauen in jedem text, der in der brd publiziert ist und in dem sie nur in der fussnote (wenn überhaupt) erscheinen, derart aufregen würden! wir wären nur am rebellieren, rund um die uhr. und die rektorin schücking hat so recht. auf die frage, wie sie ihren kritikern begegnen will, meinte sie nur schlicht: "keine angst, liebe männer. wer souverän ist, wird damit fertigwerden."

daher nur diese kleine randnotiz.

Mittwoch, 15. Mai 2013

tagebuch der empörung VIII

1. morgen öffnet das barbie dreamhouse in berlin seine pforten. eine traumwelt voller hübscher kleidung und eleganten schuhen, mit himmelbetten und zuckrigen cupcakes. die kinder, deren eltern den gesalzenen eintrittspreis gezahlt haben, können sich in entzückende kleider zwängen und sich einmal wie ein topmodel fühlen. ein echter traum in rosa eben! und ein echter albtraum für die sozialisierung dieser kinder. für die gesellschaft, die diese kinder prägte und die sie selbst einmal prägen werden. dieses „traumhaus“ ist eine absurde werbeinstitution für eine puppe, die – wäre sie ein echter mensch – aufgrund ihrer magerer, unproportionalen figur krank wäre und der der aufrechte gang schlicht unmöglich wäre. wie sollen in so einer gesellschaft gesunde kinder aufwachsen, denen die grazile figur nicht alles ist? und: das mit den cupcakes macht doch eh in so einer welt keinen spass. wer die isst, kann ja in keinem fall bei der grazilen figur bleiben! ein echter albtraum …

2. die bundeswehr ist dringend auf der suche nach jungen männern und frauen, die bereit sind in den krieg zu ziehen. da greift man doch auch mal auf mittel zurück, die erschreckend sind: schon im september letzten jahres berichtete der spiegel in einem artikel (artikel im spiegel) über die werbung der bundeswehr in der bravo. damit wirbt eine militärische einrichtung in einer der beliebtesten zeitschriften für jugendliche, die sonst für berichterstattung über popstars und sexuelle aufklärung bekannt ist. mit „adventure camps“ in den ferien werden die jungen leute gelockt. und die bundeswehr wird zu einer aufregenden, aber fröhlichen institution. auch bei vorträgen in der schule und bei ständen auf dem unicampus wird am image der bundeswehr gefeilt. das verteidigungsministerium investiert angeblich 27 mio euro jährlich in nachwuchswerbung! was man mit diesem geld alles sinnvolles machen könnte …

3. es ist wichtig, dass der nsu-prozess soviel mediales interesse bekommt. leider wurde dieses jedoch bislang dominiert von der vergabe der presseplätze, die wochenlang andauerte und viel unmut hervorrief. die erste zuteilung der plätze war sicher unfair. nervig ist aber, dass sich einige medien für eine auslosung stark machten und kaum waren sie nicht ausgelost worden, waren sie wieder nicht zufrieden. bei der ganzen diskussion wurde ausserdem in den hintergrund gedrängt, worum es wirklich geht: um eine reihe an mordfällen mit rechtsextremen motiven. um rechtsextremen terror, den es in deutschland häufiger gibt, als sich manch einer eingestehen will. es geht auch um die fehler des verfassungsschutzes und die zumutungen für die angehörigen der opfer, weil man ihren familienmitgliedern mafiöse strukturen unterstellte. dass man lange nicht aufklärte, um was es wirklich ging. das ist der eigentliche skandal um den nsu-prozess. nun ist zu hoffen, dass die konzentration auf die aufklärung der morde gelenkt wird. und sich die medien endlich damit beschäftigen, was eigentlich wichtig an dem prozess ist.

Freitag, 26. April 2013

von verantwortung

in bangladesch stürzte diese woche ein marodes fabrikgebäude in sich zusammen und brachte hunderten von menschen den tod. vor allem junge näherinnen sind es, die man bis jetzt zu bergen versucht. es erinnert an die brände, denen ähnliche fabriken in den letzten jahren immer wieder zum opfer fielen, teils mit verheerenden folgen. skandalös auch deshalb, weil in den meisten fällen notwendige sicherheitsvorkehrungen nicht getroffen worden sind, die diese toten hätten verhindern können. beim aktuellen fall schildern zeugen ausserdem, dass schon am morgen vor dem einsturz des gebäudes, risse in den wänden zu entdecken waren. als darauf hingewiesen wurde, passierte nichts, man liess die näherinnen weiterarbeiten, die sowieso schon unter schwierigen bedingungen ihre jobs machen (bericht auf tagesschau.de). hier wird unter so schlechten konditionen gearbeitet, damit wir im westen billig kleidung kaufen können. klar, selbstverständlich haben sowohl kik als auch c&a sofort eine zusammenarbeit mit dem unternehmen in bangladesch dementiert. es ist jedoch davon auszugehen, dass auch mit dem diesmal betroffenen unternehmen ether-tex eine kooperation vorhanden war oder ist. oder dass einem der anderen europäischen hersteller zugeliefert wurde.

wir tragen diese shirts und jeans, die junge frauen in 12-stunden-arbeitstagen auf engstem raum herstellen und die dabei noch nicht mal damit rechnen können, dass sich jemand um brandschutz oder ähnliches gekümmert hat. am liebsten denkt man darüber gar nicht nach, diesen reflex kenn ich nur zu gut. aber vielleicht sollte auch endlich umgedacht werden. wenn mein shirt nur 3 euro kostet, wer zahlt da eigentlich drauf? die arbeit der näherinnen hat auch immer mit uns zu tun.

Freitag, 12. April 2013

von selbstbestimmung

„in der gesamten menschheitsgeschichte leugnen sklaven, dass sie sklaven sind“ – dieser satz war diese woche von der femen-aktivitstin inna schewtschenko zu hören (artikel in der süddeutschen). sie bezieht sich damit auf den konflikt mit der „muslimah pride“-bewegung. muslimas aus verschiedenen ländern hatten sich gegen die femen-bewegung ausgesprochen und deutlich gemacht, dass sie sich nicht ausziehen müssten, um frei zu sein. und dass keine aussenstehende personen ihnen sagen soll, ob sie emanzipiert seien oder nicht.

aus schewtschenkos sicht ist das ganz klar: muslimische frauen sind unterdrückt, denn sie tragen ein kopftuch. sie glaubt, man müsse ihnen helfen, sich selbst aus der unterdrückung zu befreien. ihre sicht ist natürlich einseitig und sie ist auch gefährlich. denn einigen frauen zu sagen, was gut für sie ist – sei es noch so „gut gemeint“ – ist paternalistisch und deckt nur neue machtstrukturen auf. auch männer haben jahrhundertelang argumentiert, sie wüssten, was frauen brauchen.

nicht nur im bezug auf männer und frauen gibt es diese gefahr der gut gemeinten bevormundung. sie zieht sich quasi durch alle formen der entwicklungs-zusammenarbeit. die abwendung vom früheren begriff entwicklungshilfe zeigt, dass hier ein umdenken kam und es sind wichtige schritte getan worden. dennoch: wer entscheidet, was die andere braucht?

toll wäre natürlich, wenn jede das selbst entscheiden könnte. wenn die frau entscheiden kann, ob sie ein kopftuch trägt oder nicht. ob sie hausfrau wird oder die karriereleiter nach oben klettert. ob sie sich für femen auszieht oder nicht. ob sie sich prostituiert oder nicht. das problem daran: die ganze thematik ist mit der philosophischen frage verknüpft, inwiefern es freiheit gibt. kann es freiwilligkeit beispielsweise in der prostitution wirklich geben? das fragte sich auch die redaktion von emma im vergangenen dezember (kann prostitution wirklich freiweillig sein?). oder in schewtschenkos worten: kann ein sklave seine versklavung erkennen? und natürlich hat sie zu einem gewissen punkt recht: viele probleme werden nicht als solche erkannt, weil sie „normal“ sind, weil wir an sie gewohnt sind. aber auch alice schwarzer hat mich schon oft geärgert, weil sie zu wissen meint, was für die jungen mädchen das richtige ist. hatte sie sich nicht immer gegen bevormundungen dieser art zur wehr gesetzt?

leicht fällt es uns, von aussen zu entscheiden, was das richtige wäre. was aus unserer sicht freiheit, unabhängigkeit und selbstbestimmung ist. der schwierigere weg ist es, jede frau selbst entscheiden zu lassen, was diese werte für sie bedeuten. und sich trauen zu fragen, ob diese für mich wichtigen werte für eine andere frau vielleicht auch von so grossem wert sind? oder ob unsere vorstellungen davon, wie eine freie frau ist, sich nicht viel stärker unterscheiden? gleichzeitig wird hier einem relativismus der weg geebnet, der ebenso gefährlich sein kann. fakt ist: was freiheit bedeutet und wie ich sie verstehe, kann ich niemandem aufzwängen.

echte freiheit wäre ja, dies frei für sich entscheiden zu können.

Montag, 1. April 2013

vom schweigen

jetzt sind bald zwei monate vergangen, in denen ich mich nicht zur wort gemeldet habe. zwei monate, die voll von zu erledigendem kram waren und in denen ich auch noch ein wenig verreisen durfte. mein schweigen heisst nicht, dass es nichts zum empören gab und nicht, dass ich mir keine gedanken gemacht habe.

wie heisst es so schön? reden ist silber, schweigen ist gold. ohja, reden ist wichtig. es ist wichtig, laut aufzuschreien, wenn unrecht geschieht. es ist wichtig, unmut zu äussern, sich laut zu empören. und ja, es sind nicht immer die lauten stark, nur weil sie lautstark sind, damit hat konstantin wecker recht.

aber schweigen ist nicht immer nur eine wohltat. schweigen ist nicht immer eine ruheinsel, ein überbringer des guten und des friedens. schweigen macht einen unterschied. auch das nichts-tun ist eine tat. auch das zuschauen und zuhören ist eine handlung. wer nicht protestiert, lässt das geschehen zu, lässt es unkommentiert stattfinden und stimmt auf diese weise indirekt zu.

schweigen kann durch seine passivität schrecklich sein, gewalt und gar kriege herbeiführen. schweigen kann ohnmacht bedeuten und ohnmacht produzieren. schweigen wird wohl zu oft unterschätzt und viel zu häufig ausgeübt. schweigen verhindert zum beispiel oft zivilcourage. wieviele schweigen, wenn einer unserer mitmenschen wegen seiner hautfarbe oder anderen attributen beschimpft wird? schweigen kann wehtun, verletzen, im stich lassen. und manche auf diesem planeten profitieren davon, dass wir so mundfaul sind. dass wir vieles annehmen, ohne uns zu wehren.

so gilt manchmal: reden ist wilder, schweigen ist gewollt.

Dienstag, 12. Februar 2013

ich habe es satt

ich habe es satt, mir stammtischparolen anzuhören. seit mit brüderle die sexismus-debatte aufkam, die ich wichtig und richtig finde, höre ich soviele flapsige sprüche, unüberlegtes und unreflektiertes, dass ich es langsam nicht mehr aushalte. viele menschen verstehen immer noch nicht die unterschiede zwischen sexualisierung und sexismus. viele menschen können nicht unterscheiden zwischen einem flirt auf augenhöhe und einer anmache, die nur das geschlecht in der person sieht. die herabwürdigend, erniedrigend ist. die einer grabscherei ähnelt und manchmal sogar mit einer einhergeht.

ich habe es satt, mich als frau zu wappnen gegen solche grabschereien und sexistische sprüche. wie alle menschen auf der welt würde ich gern ohne sorge leben und mich so kleiden, wie es mir gefällt. und nicht so, wie ich mich am wenigsten angreifbar mache. wie alle menschen auf der welt möchte ich nicht auf mein geschlecht reduziert werden, sondern als person wahrgenommen werden. wie alle menschen auf der welt habe ich ein recht auf würde. als johanna, als frau, als mensch.

ich habe es satt, menschen erklären zu müssen, was eine tanzdemo – wie die von der intiative one billion rising – bringen könnte. wo, wenn nicht im kleinen, müssen wir beginnen, aufmerksamkeit zu erregen, denkanstösse zu geben, zu erinnern an das, was schiefläuft? warum sollte eine kleine, positive aktion nicht gegen etwas negatives ankämpfen können?

ich habe es satt, in diskussionen den vorwurf zu bekommen, zu emotional zu werden. ohja, ich bin emotional. all diese themen und ereignisse weltweit greifen mich als johanna, mich als frau, mich als mensch an. ich bin nicht losgelöst von dem, was einer jungen studentin in delhi passiert. mich lässt nicht kalt, wenn ich von beschneidungen kleiner mädchen höre. mich betrifft es, wenn in einer bar eine frau angesprochen wird mit „du könntest ja auch gut ein dirndl füllen“. diese emotionen, die dies alles in mir weckt, sind nicht schlecht, sind nicht falsch. sie sind menschlich.

ich habe es so satt.

Dienstag, 15. Januar 2013

von rache

seit wochen nun hören und lesen wir von den missbrauchsfällen in indien. losgetreten wurde das ganze durch eine brutale vergewaltigung einer jungen studentin in neu-delhi. mich hat in diesem zusammenhang der leitartikel der wochenzeitung „die zeit“ vom 10.1. besonders berührt. der autor schreibt darin von den umständen des prozesses und der bestrafung der täter. leicht nachvollziehbar erscheint der ruf nach rache und nach der todesstrafe, haben doch diese menschen so etwas unmenschliches grausames getan. haben sie etwas anderes verdient? 

in einer demokratie darf es nicht darum gehen, ob jemand etwas verdient hat oder nicht. sondern es geht um gleichheit vor dem gesetz und das recht jedes einzelnen, einen verteidiger zu haben. und nicht sofort getötet zu werden. der zeit-autor weist in seinem artikel nachdrücklich auf die gefährlichen wege hin, wie mit den empörten forderungen eingeschlagen werden. 

empörend sind die fakten, die jetzt endlich öffentlich werden: indische frauen werden unglaublich oft opfer von belästigungen und vergewaltigungen, allein in der stadt neu-delhi soll angeblich alle 18 stunden eine frau vergewaltigt werden. was aber dahinter liegt, ist ebenso empörend: die frau ist nicht viel wert in der ach so gelobten „größten demokratie“ der welt. schon von klein auf sind mädchen unerwünscht, weil das system es vorsieht, dass sie nur geld kosten, aber keines reinbringen kann. ein sohn ist immer noch in indien viel mehr wert als eine tochter, weswegen nach pränatalen geschlechtsbedigungen weibliche föten abgetrieben und kleine mädchen getötet werden. davon erzählt auch in diesem eindrucksvollen interview die indische ärztin dr. mitu khurana, die sich seit jahren gegen diese vorgehensweisen engagiert: interview der ard.

was ist zu tun? es ist großartig, dass in indien die menschen nun darüber sprechen, auf die straße gehen und sich wehren, männer wie frauen gleichermaßen. wir hier in deutschland können wohl nicht viel tun, außer unsere empörung hinausschreien und uns solidarisch zu zeigen mit den indischen frauen. und: dafür sorgen, dass dieses thema verstärkt wahrgenommen und problematisiert wird. weil man endlich darüber spricht.