Freitag, 12. April 2013

von selbstbestimmung

„in der gesamten menschheitsgeschichte leugnen sklaven, dass sie sklaven sind“ – dieser satz war diese woche von der femen-aktivitstin inna schewtschenko zu hören (artikel in der süddeutschen). sie bezieht sich damit auf den konflikt mit der „muslimah pride“-bewegung. muslimas aus verschiedenen ländern hatten sich gegen die femen-bewegung ausgesprochen und deutlich gemacht, dass sie sich nicht ausziehen müssten, um frei zu sein. und dass keine aussenstehende personen ihnen sagen soll, ob sie emanzipiert seien oder nicht.

aus schewtschenkos sicht ist das ganz klar: muslimische frauen sind unterdrückt, denn sie tragen ein kopftuch. sie glaubt, man müsse ihnen helfen, sich selbst aus der unterdrückung zu befreien. ihre sicht ist natürlich einseitig und sie ist auch gefährlich. denn einigen frauen zu sagen, was gut für sie ist – sei es noch so „gut gemeint“ – ist paternalistisch und deckt nur neue machtstrukturen auf. auch männer haben jahrhundertelang argumentiert, sie wüssten, was frauen brauchen.

nicht nur im bezug auf männer und frauen gibt es diese gefahr der gut gemeinten bevormundung. sie zieht sich quasi durch alle formen der entwicklungs-zusammenarbeit. die abwendung vom früheren begriff entwicklungshilfe zeigt, dass hier ein umdenken kam und es sind wichtige schritte getan worden. dennoch: wer entscheidet, was die andere braucht?

toll wäre natürlich, wenn jede das selbst entscheiden könnte. wenn die frau entscheiden kann, ob sie ein kopftuch trägt oder nicht. ob sie hausfrau wird oder die karriereleiter nach oben klettert. ob sie sich für femen auszieht oder nicht. ob sie sich prostituiert oder nicht. das problem daran: die ganze thematik ist mit der philosophischen frage verknüpft, inwiefern es freiheit gibt. kann es freiwilligkeit beispielsweise in der prostitution wirklich geben? das fragte sich auch die redaktion von emma im vergangenen dezember (kann prostitution wirklich freiweillig sein?). oder in schewtschenkos worten: kann ein sklave seine versklavung erkennen? und natürlich hat sie zu einem gewissen punkt recht: viele probleme werden nicht als solche erkannt, weil sie „normal“ sind, weil wir an sie gewohnt sind. aber auch alice schwarzer hat mich schon oft geärgert, weil sie zu wissen meint, was für die jungen mädchen das richtige ist. hatte sie sich nicht immer gegen bevormundungen dieser art zur wehr gesetzt?

leicht fällt es uns, von aussen zu entscheiden, was das richtige wäre. was aus unserer sicht freiheit, unabhängigkeit und selbstbestimmung ist. der schwierigere weg ist es, jede frau selbst entscheiden zu lassen, was diese werte für sie bedeuten. und sich trauen zu fragen, ob diese für mich wichtigen werte für eine andere frau vielleicht auch von so grossem wert sind? oder ob unsere vorstellungen davon, wie eine freie frau ist, sich nicht viel stärker unterscheiden? gleichzeitig wird hier einem relativismus der weg geebnet, der ebenso gefährlich sein kann. fakt ist: was freiheit bedeutet und wie ich sie verstehe, kann ich niemandem aufzwängen.

echte freiheit wäre ja, dies frei für sich entscheiden zu können.

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