Mittwoch, 21. Dezember 2011

vom risiko

nun steht weihnachten vor der tür. alle jahre wieder gibt es diesen ungeheuren kaufrausch – geschenke, geschenke, geschenke. auch ich hab ein bisschen mitgemacht. voller vorfreude auf die gesichter der lieben beim auspacken. es wäre alle jahre wieder an der zeit, daran zu erinnern, wie verrückt dieser konsumrausch ist. wenn man sich die situation anderer menschen anschaut. wenn man in andere länder schaut und in familien, in denen man froh ist um sein täglich brot.

ich will es bei diesen paar zeilen erinnerung daran belassen. nicht, weil ich diese menschen in vergessenheit geraten lassen möchte – dann hätte ich sie gar nicht erst erwähnt – aber weil auch dieses erinnern alle jahre wieder ein bisschen nervt. dieser moralische zeigefinger.

ich hab in den letzten tagen viel weniger an weihnachten aber viel öfter an das neue jahr gedacht. 2012 – was wird es wohl bringen? mit vorsätzen für bestimmte handlungen konnte ich noch nie etwas anfangen. ob ich kommendes jahr weniger schokolade esse? keine ahnung, das entscheide ich spontan. und überhaupt ist das ein unrealistischer vorsatz. aber denkweisen oder -strategien – die kann man sich vorher mal bewusst machen. im sommer habe ich das gedicht "das pralle leben" gepostet (22. Juni 2011), das ich anfang des jahres geschrieben hatte. und es gilt wieder. auch das nächste jahr möchte ich mich immer wieder für das pralle leben entscheiden. das pralle leben – das heißt für mich in die vollen zu gehen. ich möchte nicht larifari, nicht wischiwaschi und all die anderen lustigen begriffe die man für diesen traurigen zustand wählt. ich möchte nicht anstreben, allen zu gefallen. ich möchte keine arschkriecherei. ich möchte einfach nur mit den menschen, die ich wirklich mag, eine gute zeit haben. ich möchte nicht aus angst auf bestimmte situationen auf bestimmte gefühle verzichten. ich möchte reingehen in diese situationen. ich möchte voll leben. ich möchte nicht auf das glück warten, sondern immer darauf zu gehen. und dabei auch etwas riskieren. und das bedeutet, nicht immer an die verletzungen denken, die mir dies zufügen kann. dies ist kein aufruf zur maßlosigkeit. eher eine erinnerung daran, dass höhen und tiefen, schönes und trauriges gleichermaßen zum leben gehören. und lebenswert und wünschenswert sind.

frohes fest! und einen guten rutsch in ein neues jahr voller schöner und intensiver momente!

Mittwoch, 30. November 2011

sand oder doch nur öl im getriebe

jeden tag gibt es etwas neues, sich zu ärgern. heute lese ich bei zeit online (link), dass deutschland an israel ein u-boot liefert, welches mit nuklarsprengköpfen bestückt werden kann. das ist ein vorgang, der gar nicht mal so selten ist. die rüstungsindustrie ist aktiver als vielen von uns lieb ist und wahrscheinlich passiert das auch mit absicht so im dunkeln. zu selten bekommt man wirklich mit, welche geschäfte da laufen. bereits 2005 hat wohl gerhard schröder, der damalige bundeskanker, diesen rüstungsdeal mit israel klargemacht. interessant an diesem geschäft ist jedoch auch die hohe kostenbeteiligung der deutschen, die nämlich ein drittel der kosten tragen. das sind also die deutschen steuerzahlerinnen, die den export von u-booten nach israel mitfinanzieren.
ist das absurd? es ist absurd.

es ist wie mit stuttgart 21. am meisten verwundert mich an großprojekten wie diesen, warum plötzlich eine menge geld da zu sein scheint. obwohl es doch ständig fehlt!? der staat und die länder verweisen immer wieder auf die hohen schulden. viele soziale und kulturelle einrichtungen verwaisen oder werden geschlossen aufgrund mangelnder gelder. aber gelder für prestige-projekte sind immer da. und geld ist scheinbar auch dort vorhanden, wo die rüstungslobby sich bereichert. sowieso: die tatsache, dass einige staaten von den kriegen der anderen profitieren ist einer der größten skandale überhaupt. eine tatsache, die skurril, vielleicht ökonomisch logisch (?), aber vor allem zugleich menschenverachtend ist. und jeder von uns ist teil dieses systems.

ich versuche auszubrechen aus dem system. ich versuche nachhaltig zu leben, ich versuche ökologisch und sozial zu konsumieren (oder ist das an sich schon ein widerspruch?). doch die grenzen sind klar erkennbar. zum beispiel beim kleidungskauf. firmen wie kik sind für mich tabu, und das nicht erst seit dem sehr guten dokumentarfilm von christoph lütgert für die ard (youtube-link). eine jeans für 5 euro, ein shirt für die hälfte? hier ist es offensichtlich, dass irgendjemand ausgebeutet wird. es kann gar nicht sein, dass für diesen preis arbeiterinnen im ach so fernen asien gut bezahlt werden können. es kann gar nicht sein! da braucht sich keine eine illusion machen. aber auch die anderen firmen sind da keine großen helden. bei h&m ist auch davon auszugehen, dass auf möglichst billige weise – und damit auch mit dumpinglöhnen der arbeiterinnen – hergestellt wird. und was ist mit den marken, bei denen mehr gezahlt wird? benetton, esprit, adidas und co.? wer glaubt, hier auf der sicheren seite zu sein wird bitter enttäuscht. sicherlich profitiert hier jemand. aber das sind bestimmt nicht die näherinnen der fabriken. das viele geld kommt doch in den chefetagen an und nie weiter unten. wenn ich darüber nachdenke wird mir ganz schlecht. es gibt ein paar wenige faire kleidungsmarken, aber welche studentin kann sich diese leisten? für mich ist die ökonomischste variante der kauf von gebrauchter kleidung. aber damit kurble ich natürlich nicht gerade die deutsche wirtschaft an ... und überhaupt: kann das die lösung sein?

ich werde jedenfalls ganz wahnsinnig beim einkaufen. auch bei lebensmitteln lege ich viel wert darauf, regional und saisonal zu kaufen. wütend werde ich, wenn in den supermärkten oft sogar das gemüse aus dem ausland kommt, das gerade in deutschland (quasi um die ecke) wächst. wie oft stehe ich vor den gemüseregalen, lese mir etiketten und beschriftungen durch, nehme ein produkt nach dem anderen in die hand, um es dann wieder zurück zu legen. einseitiger wird mein einkauf und komplizierter. an der kühltheke ist natürlich damit nicht schluss, sondern es geht damit weiter, dass ich bestimmte marken nicht unterstützen mag.

macht das, was ich da tue, überhaupt sinn? an manchen tagen werde ich ganz verrückt davon und stehe fassungslos im supermarkt. mir vergeht die lust am einkaufen, am kochen und am essen. und ich hoffe dann doch immer, dass ich mit dem was ich tue, sand im getriebe bin.

Donnerstag, 17. November 2011

sage nein!

nun ist einige zeit vergangen, seit ich zuletzt etwas geschrieben habe. das heißt jedoch nur, dass meine zeit im moment sehr knapp ist und nicht, dass mir nichts durch den kopf geht. im moment sind es sogar sehr viele themen, die mich bewegen. eines davon sind die nazis.

die entdeckung der rechten organisation " nationalsozialistischer untergrund" erinnert mal wieder auf unangenehme weise alle daran, dass der braune sumpf längst nicht ausgetrocknet ist. lange zeit konnte das thema wieder ignoriert werden von der öffentlichkeit, jetzt schreit es geradezu nach reaktion. endlich werden diskussionen über ein npd-verbot wieder lauter. seit jahren ärgert mich schon, dass aufgrund der großen anzahl an v-leuten dies nicht durchgesetzt werden kann. es kann doch nicht sein, dass das system sich ein eigentor schießt!

beim thema nazis fällt mir immer wieder der wunderbare text von konstantin weckers "sage nein" ein, dessen refain lautet: "ob als penner oder sänger, banker oder müßiggänger, ob als priester oder lehrer, hausfrau oder straßenkehrer, ob du 6 bist oder 100, sei nicht nur erschreckt verwundert, tobe, zürne, misch dich ein: - sage nein!" - "sage nein" von konstantin wecker

natürlich ist ein npd-verbot nicht alles. zum austrocknen des braunen sumpfes braucht es viel, viel mehr. aber es ist ein wichtiger schritt.

Sonntag, 23. Oktober 2011

nieder mit der gleichgültigkeit!

manchmal wirkt meine wut und meine empörung auf andere übertrieben oder überreagiert. zum teil kann ich das verstehen. gleichzeitig empört mich das erneut. wer legt denn fest, worüber ich mich aufregen darf? ab wann ist aufregen zuviel aufregen?

ich denke, dass es gut für unsere gesellschaft wäre, sich häufiger mal zu empören. viel zu vieles wird einfach akzeptiert, wird einfach hingenommen, als sollte es so sein. weil es so ist. dabei ist nicht alles, was wir als normal empfinden, allein durch diesen fakt der normalität in ordnung. auch das scheinbar normale kann empören. auch das gesellschaftlich anerkannte kann mich wütend machen. meistens sogar genau das.

und ich glaube, es gibt zuviel gleichgültigkeit auf der welt. zuviel schauen weg, verschließen ihre augen vor sensiblen themen, vor leid und ungerechtigkeit. bequem dazusitzen und zu sagen: reg dich doch nicht auf! - das machen viel zu viele menschen. es ist ja auch so leicht.

ich möchte in diesem punkt das gegenteil leben. in meinem blog bin ich sicherlich oft sehr emotional und provokant. ich möchte damit anregen, über die dinge zu diskutieren. ich möchte die normalität von begriffen und gegebenheiten in frage stellen. auch wenn das manch einer zuviel, zu subjektiv, zu wütend oder übertrieben ist – genauso werde ich weitermachen. ich möchte mich nicht einreihen in die gleichgültigkeits-schiene, auf der einige unterwegs sind. wahrscheinlich habe ich dieses bedürfnis, mich richtig kräftig aufzuregen, weil ich merke, dass einige sich gar nicht mehr aufregen. das ist dann quasi mein harmonie-bedürfnis, das ausgleichen möchte. und wer hat schon etwas gegen harmonie einzuwenden?? :-)

Donnerstag, 13. Oktober 2011

"rassig pikant"


gestern ist er mir wieder begegnet – der begriff "rassig". ich bekomme fast eine gänsehaut, wenn ich das wort lese und höre, stelle aber immer wieder mit erstaunen fest, dass der großteil meiner mitmenschen ihn mit einer ungeheuren selbstverständlichkeit benutzen. mit einer unschuldigkeit, die mich verblüfft. eine "rassige frau" – klar, der begriff wurde so lang in dieser bedeutung genutzt, dass wir uns tatsächlich etwas darunter vorstellen können: meist eine dunkelhaarige und sonnengebräunte frau mit einem wohlgeformten, weiblichen körper, eine attraktive frau mit einer gewissen "exotik" ... das sind die assoziationen. dennoch sollte sich keiner etwas vormachen, der begriff "rassig" kommt vom wortstamm rasse. "rassig" drückt also aus, dass die person von einer fremden rasse ist, die teils als die "edle rasse", teils als die "primitive rasse" gemeint ist. sucht man im internet nach synonymen, erscheinen bald begriffe wie wild, heißblütig, vollblütig, von edler art/rasse ... sind wir hier auf einem diskurs, der die vorstellung vom "primitiven" – von dem wir denken, sie sei längst aus unseren köpfen verschwunden – ständig aktiviert?

auch auf viele heirats- und partnervermittlungen stößt man bei der suche nach "rassig" im internet. da werden vor allem frauen aus ost- und südeuropa sowie lateinamerika mit dem genannten schlagwort angepriesen. und in einigen foren fragen sich junge menschen: "was bedeutet eigentlich rassige frau für euch?". in den ganzen diskussionen findet leider nicht die nach der echten bedeutung des begriffes statt, kaum einer hinterfragt das unscheinbare wort. sowieso: "rassig" wird insgesamt stärker mit frauen als mit männern in verbindung gebracht. mit der vorstellung einer selbstbewussten und "wilden" frau, die gezähmt werden muss. eine frau, die stürmisch und leidenschaftlich und wahrscheinlich "allzeit bereit" ist. wie sexy! für mich ist das ganze ein klassisches abbild unseres männer-frauen-machtverhältnisses, das zudem stark sexualisiert ist.

häufig wird der begriff "rassig" in zusammenhang mit dem kleinen – ebenso scheinbar belanglosen - wort "zigeuner" gebracht, auch das gilt heute als politisch inkorrekt, weil es genauso wie "neger" zu häufig in abwertender form verwendet wurde. historische altlasten eben, mit denen wir heute leben müssen.

ihren höhepunkt erreicht meine empörung jedoch bei kraft foods. die werben doch tatsächlich für eine "zigeunersauce – rassig pikant" (siehe zigeunersaucenverkauf online). da treffen direkt zwei begriffe aufeinander, die nicht haltbar sind und werden in der kombination zu einer verdopplung von politischer inkorrektheit. wer denkt sich sowas aus? skandalös finde ich das, ignorant und ekelhaft.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

vom schreiben


ich wurde gefragt, warum ich meinen text zur israel-reise erst jetzt - einige monate nach meinem aufenthalt im nahen osten - online gestellt habe (siehe historische altlasten auf reisen.). die antwort ist diese: ich wollte die gedanken, die ich nach meiner reise formuliert habe, zunächst in einer zeitung oder zeitschrift veröffentlichen. leider hat das nicht geklappt, da mein text zu emotional ist. zu wenig fakten, zu wenig aktuelles geschehen aus objektiver sicht, das ist, was mir die redakteurinnen als grund für die absage nannten. der artikel passt nicht ins format der zeitungen.

nun das stimmt, ich schreibe nicht objektiv, ich schreibe nicht sachlich, ich schreibe nicht fakten-orientiert. ich schreibe deshalb so, weil ich nicht glaube, dass es so etwas wie objektivität gibt. weil ich nicht glaube, dass nur sachlichkeit und nüchterne fakten uns weiterbringen. natürlich ist die weitergabe von informationen unglaublich wichtig, auch daran glaube ich. aber gleichzeitig möchte ich auch keine objektivität vortäuschen, die nicht vorhanden ist. und ein bericht über eine reise ist etwas zutiefst subjektives. meine absicht war in diesem artikel, meine emotionen wiederzugeben und die leserin nachfühlen zu lassen, wie es für mich war, als deutsche in israel zu sein. welchen nutzen das hat? vielleicht keinen direkt erkennbaren. vielleicht wäre ein bericht voller fakten und informationen wirklich "sinnvoller". aber wer entscheidet über den sinn? wer entscheidet, welche worte und inhalte "sinnvoll" sind und uns weiterbringen? ich selbst finde es spannend, reiseberichte oder biografien zu lesen, bei denen ich wirklich nachvollziehen kann, was in der schreiberin  in der jeweiligen situation vorgegangen ist. mich haben texte solcher art bestimmt schon weitergebracht. häufig geben sie interessante einblicke in die persönlichkeit der schreibenden und regen zum nachdenken und zur meinungsbildung an an. und anstöße zum nachdenken und zur meinungsbildung finde ich auf jeden fall "sinnvoll" – egal, ob im blog, in der tageszeitung oder einem magazin.

Dienstag, 4. Oktober 2011

historische altlasten auf reisen - als junge deutsche in israel


für vier wochen waren eine freundin und ich in israel und jordanien auf reisen. wir waren auf eigene faust unterwegs und wenn ich zurückblicke, denke ich: als pauschaltourist wäre einiges leichter gewesen. ich hab sie oft genug gesehen, die busse, die eine ladung touristen auskippen. die mit hut und kamera ausgestatteten urlauber spazieren einmal durch die jerusalemer altstadt, machen ein paar fotos, kehren zurück in den bus und weiter geht’s. kaum kontakt zur bevölkerung vor ort. das ist nicht die art des reisens, die mir entspricht, aber sie wäre manchmal wirklich bequemer gewesen. denn unabhängig unterwegs sein bedeutet enge kontaktaufnahme mit einheimischen und die ist manchmal schön und manchmal ist sie anstrengend. während der vier wochen sind meine freundin und ich fast immer privat untergekommen und sind fast jede strecke per anhalter gefahren. spannende gespräche sind dabei das, was man sucht. und doch bin ich gerade in israel dabei immer wieder an meine grenzen gekommen. es ist merkwürdig, als junge frau aus deutschland dort zu sein.

in yad vashem, in der großen gedenkstätte für die nationalsozialistische judenvernichtung in jerusalem, da habe ich eine große scham empfunden. für mich sind die dort dargestellten fakten über das dritte reich nicht neu. ich wurde mit der thematik oft genug in der schule konfrontiert, durch das ganze leben meiner generation zieht sich die beschäftigung mit dem nationalsozialismus. wer von uns hat nicht manchmal gedacht, man könnte den schwerpunkt im geschichtsunterricht nicht ein wenig verschieben? als schüler hing uns das thema fast schon zum hals heraus. und dann ich in yad vashem. ich bin umgeben von israelis, die zum teil in schulklassen oder mit der armee dort hinkommen, um sich ausgiebig mit der geschichte des antisemitismus, mit den konzentrationslagern und hitlers krankem morden zu beschäftigen. einige der jungen mädchen weinen, als sie vor den reich mit informationen gespickten tafeln stehen. ich wage nicht, deutsch zu sprechen. ich will nicht dazugehören, ich will mit der ganzen sache überhaupt nichts zu tun haben. ich empfinde keine schuld, denn ich war nicht dabei. aber die scham für die gesellschaft, in der ich aufgewachsen bin, die scham für meine vorfahren, ist unermesslich groß. derart groß habe ich sie nie empfunden, selbst im geschichtsunterricht in der schule nicht.

in gesprächen mit jungen israelis kommt immer wieder die aussage: „du musst dich nicht schuldig fühlen. das warst nicht du. das ist nicht teil von dir.“ ich bin froh, dass sie so denken und dass sie offen auf mich zugehen. sie haben mit ihrer aussage recht und haben gleichzeitig nicht recht: denn irgendwie ist es doch teil von mir.

fragt man israelis nach ihrer familie, folgt als antwort fast immer eine faszinierende geschichte. die meisten erzählen gern, woher ihre eltern oder großeltern kommen. jede familie hat viel erlitten, viele haben den holocaust nur knapp überlebt, unzählige verloren nahestehende angehörige. die menschen in israel empfinden stolz für ihr land und gleichzeitig stolz für die geschichte ihrer familie. die meisten von ihnen dienen gern in der armee und damit für den israelischen staat, weil dies das land ist, das ihre familie gerettet hat. sie sprechen mit stolz in der stimme davon, was ihre familie erlebt und überstanden hat, was sie in dem neuen staat geleistet und aufgebaut hat.
und ich? ich schaue zurück und kann nicht stolz sein. ich schäme mich.

wie oft habe ich mir in den letzten wochen gewünscht, keine deutsche zu sein. weil ich dachte, dass mir die menschen anders begegnen würden. und weil ich diese historische last nicht tragen wollte.

zum beispiel sind diskussionen über die situation im nahen osten häufig von anfang an problematisch. die israelische regierung zu kritisieren – fast unmöglich. kritik am israelischen staat und am system wird leider immer wieder als antisemitismus interpretiert. die stellungnahme für die muslime auf der welt genauso. natürlich finden diese prozesse nicht in jedem gespräch statt und häufig ist meine eigene angst davor stärker als der vorwurf von außen. doch immer wieder tauchen elemente davon auf. einmal sitzen wir mit einem jüdischen israeli im auto. nachdem wir berichten, dass wir aus deutschland kommen, geht es plötzlich um die muslime in deutschland. hass und abscheu ist herauszuhören, als der fahrer über meine muslimischen mitbürger spricht. das ist nicht mehr nur vorurteil oder unwissenheit über die „anderen“, das ist deutlich mehr. dieser hass macht mir gänsehaut und angst. ich versuche zu kontern, scheitere an seinen religiös begründeten argumenten und an der tatsache, dass ich als deutsche nicht frei sprechen kann. ich merke, wenn ich weiterrede, beziehe ich so stark position für die muslime weltweit, dass er mich als eine antisemitin betrachten könnte. ich bin nicht frei. plötzlich weiß ich wieder, was es heißt, aus deutschland zu kommen. aus einem land, in dem vor einigen jahrzehnten ein furchtbarer genozid stattfand. ich dachte, das sei vergangenheit. nun merke ich, das thema ist topaktuell, ich muss aufpassen, wohin ich trete. es belastet mich, dass ich diese bürde schleppen muss. ich werde wieder wütend. auf die menschen in deutschland, die damals solches morden zugelassen und ihre augen verschlossen haben. auf die situation heute, auf die schwere historische last, die meine generation zu tragen hat.

wie würde ein solches gespräch ablaufen, wäre ich anderer herkunft? ich weiß es nicht. ich weiß nur: ich muss sehr vorsichtig sein. wie die gespräche laufen. wie ich mich selbst einbringe, welche worte ich wähle.

irritierend war für uns auch immer wieder die große bedeutung des militärs. kommend aus einem land, in dem gerade die wehrpflicht abgeschafft wurde, ist ein land mit strikter wehrpflicht ein wenig befremdlich. und in israel ist dieser wehrdienst in extremem ausmaß zu leisten: für männer sind es ganze drei, für frauen zwei jahre, die in der armee gedient werden. es gibt zwar offiziell möglichkeiten zur verweigerung, doch was uns in gesprächen bestätigt wird, ist dies: wer sich dem wehrdienst verweigert, wird bis heute gesellschaftlich geächtet. so ist es beispielsweise schwierig, einen job zu bekommen ohne vorher für die armee gedient zu haben. darunter leiden vor allem die männer, denen die verweigerung insgesamt sehr schwer gemacht wird und die unter umständen auch trotz offizieller anerkennung mit einer haftstrafe rechnen müssen. ein verrücktes system, welches das militär stetig hochhält und als besonders wichtig in den köpfen der jungen menschen verankert. dann sieht man auf den straßen diese unglaublich jungen soldaten – oft gerade erst 18 jahre alt – und sieht die gefahr der manipulation dieser menschen, die fast noch kinder sind.

eine erstaunliche mischung: das starke auftreten vom militär, verknüpft mit stolz auf die familie und das land, dazu die ständige opferrolle, in der sich der israelische staat präsentiert. mir macht das angst. gerade als deutsche. gerade als eine person, die die historische last der nation aus der sie kommt nicht tragen kann und will. hoffentlich vergessen die menschen bei allem nicht ihre eigene geschichte. aber nicht nur, um stolz zu empfinden, ist das wichtig. sondern vielmehr um daraus zu lernen, dass so etwas nie mehr geschehen darf. auf dass keine künftige generation sich mehr derartig schämen muss. nicht in deutschland, nicht in israel, nicht in palästina.

Donnerstag, 22. September 2011

willkommen im mittelalter


heute, am 22.09.2011 ist es mal wieder soweit. ich fühle mich ins mittelalter versetzt. gedanklich. ich kann nicht glauben, welche dinge in unserer welt geschehen. Und wenn ich die meldungen des tages sehe, bin ich fassungslos, welche themen die menschen bewegen.

in den usa wird troy davis getötet, der nach einem 20 jahre andauernden verfahren bisher nicht für eindeutig schuldig erklärt werden konnte – dennoch wurde er hingerichtet. allen protesten zum trotz. todesstrafe heute? klingt für mich wie ein widerspruch und ist doch in den usa immer wieder umstrittene realität. weiß vs. schwarz war bei troy davis einmal mehr das dominierende thema und da hat auch ein schwarzer präsident nichts daran geändert.
sowieso, was ändert dieser präsident? obama, der sogar verfrüht den friedensnobelpreis erhalten hat, wehrt sich weiterhin gegen die anerkennung eines palästinensischen staates. sind das vorrangig wirtschaftliche gründe, strategisch-politische gründe oder wahltaktische gründe, da die demokraten gemeinhin häufig von der jüdischen bevölkerung amerikas gewählt werden?
"yes – we can" – aber damit hat ja keiner den echten wechsel gemeint!

In deutschland wird mit viel jubel der papst begrüßt. 25 mio. euro werden hingelegt, tausende pilger kommen angereist. wer sich ein bild von den religiösen spinnern machen will, muss nur einen blick in diesen artikel von spiegel online werfen http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,787696,00.html ... der papst, der bei einigen themenkomplexen – zum beispiel aids oder homosexualität – gedankengut hat, das verboten sein sollte. weil es menschenverachtend ist. die katholische kirche, die sich in letzter zeit vor allem einen ruf mit dem missbrauch von kindern gemacht hat. apropos: im vatikan besteht die für europa niedrigste schutzgrenze für kinder, nämlich bei 12 jahren. anders ausgedrückt: im vatikan ist der sex mit kindern ab 12 jahren straffrei. hallo??
interessanter text zur aktuellen lage mit der kirche auch auf den nachdenkseiten.
pope? -- nope!

willkommen im mittelalter.

Freitag, 9. September 2011

gedanken zum asyl

ich bin dafür, dass deutschland wieder die grenzen verstärkt dicht macht. das asylrecht wird überbewertet, ich will hier ja nicht jeden haben!

zumindest will ich keinen besuch, der von der kirche mit mehr als 25 millionen euro finanziert wird. das ist der betrag, den die katholische kirche für den papstbesuch in diesem jahr ausgeben wird. 25 millionen euro! wenn ich mir vorstelle, wieviele menschen man mit diesem betrag satt machen könnte, wird mir schlecht. in was wird hier eigentlich investiert? in den glauben? in die image-verbesserung der katholischen kirche? ob glaube oder kirche – gerne würde ich mir einbilden, dass entweder das eine oder die andere das wohl der weltbevölkerung im blick hätte. ist das so?

„ein christ kann niemals schweigen angesichts von leiden und gewalt, armut, hunger, korruption und machtmissbrauch“, das soll der papst 2009 zu beginn seiner afrika-reise gesagt haben (siehe: http://www.tagesschau.de/ausland/papstafrika100.html) – heuchlerisch erscheint mir diese aussage, denn wenn man genauer hinschaut, fragt man sich doch unweigerlich: wo helfen der papst und seine kirche? und wo tragen sie zu weiterem leid sogar bei? global denken scheint der katholischen kirche ja sehr fern. kondome in afrika? lieber nicht. die große authorität des papstes wird hier sogar noch ausgenutzt, um abhängigkeiten der sehr gläubigen bevölkerung zu verstärken. kondome in afrika als unanständig und als gegen die menschenwürde oder die religion verstoßend darzustellen ist meines erachtens ein verbrechen. der papst damit ein verbrecher. vielleicht sollte er mir leid tun ob dieses mittelalterlichen gedankengutes.

kondome sollen gegen die würde des menschen sein, las ich einmal in der stellungnahme der römisch-katholischen kirche. bitte? diese haltung der kirche selbst handelt gegen die würde des menschen.

wut und ohnmacht machen sich in mir breit, wenn ich an diese millionensummen denke, die jetzt ausgegeben werden und wieder nur ein paar hanselen der westlichen welt dienen. dem machterhalt, dem guten image. die kirchen hatten in den letzten jahren mit den vielen austritten hart zu kämpfen und brauchen einen image-wechsel. ob sie den mit einer aktion dieser art bekommen? ich hoffe ja, dass viele dadurch erst recht ins zweifeln geraten ob der wohltätigkeit ihrer kirche.

asyl – sehr gern. meines erachtens sollten viel mehr menschen einen platz in deutschland bekommen. ich selbst kenne familien, denen es unglaublich schwer gemacht wird, hier zu bleiben. hier, wo sie schon lange leben und viele freunde gefunden haben. hier, wo sie sich gern tatkräftig einsetzen würden – zur wirtschaft, zu kulturellen ereignissen, zu sozialem leben beitragen möchten. denen wird es dauerhaft schwer gemacht. diese menschen will hier kaum einer, obwohl sie dem land so gut tun könnten. aber den papst, den lädt deutschland sehr gerne ein.

Donnerstag, 25. August 2011

gedanken zum kirchenaustritt


„ohne kirche - keine hölle.“ (max frisch)
 
ja, um die kirche und die ganze moralische instanz, die dahinter steckt, wirklich loszuwerden, braucht es mehr als einen kirchenaustritt. aber es ist die symbolik, die diesen schritt so bedeutend macht. es ist „offizielle bescheinigung dich deines eigenen verstandes zu bedienen“, wie man es vielleicht nach immanuel kant formulieren könnte.

viele junge menschen denken, den kirchenaustritt könnte man sich für später aufheben: „bisher zahle ich keine steuern und damit auch keine kirchensteuer – wenn es mal soweit ist, kümmere ich mich drum.“ was einige nicht wissen: die kirche bekommt trotzdem geld für jedes mitglied. und zwar auch für die, die nicht selbst zahlen, da sie auch von staatlichen zuschüssen lebt. und diese sind mehr als zumeist angenommen (siehe beispielsweise http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/0,1518,727637,00.html).

auch das argument vieler menschen, die kirche mache vielleicht einiges falsch, tue aber auch soviel gutes, ist schwach. man kann sich sicher davon überzeugen lassen, dass einige kirchliche insitutionen sinnvolle projekte machen und das geld zweckmäßig investieren. aber wenn es mir um wohltätigkeit geht, kann ich das geld dann auch an einrichtungen spenden, die ausschließlich dinge tun, von denen ich selbst überzeugt bin. zudem wird nur ein sehr geringer anteil des geldes, das die kirchen über die kirchensteuer einnehmen, für wohltätige zwecke genutzt. ein großteil der einnahmen fließt nämlich in personalkosten.

oftmals steht dem austritt vor allem nur die faulheit im weg, wie immer. das ist ja auch geschickt eingefädelt: man ist automatisch drin (zumindest in den meisten fällen, weil man als kind kaum selbstständig entscheiden kann) – aber man muss aktiv werden, um hinauszukommen. zudem kostet der kirchenaustritt bis auf wenige bundesländer (wie beispielsweise berlin) etwas. diese gebühren können bis zu 60 euro hoch sein und variieren stark nach bundesland und gemeinde. eine ermäßigung für schülerinnen, studentinnen oder arbeitslose ist nicht vorgesehen.

dieses aktiv-werden. das erinnert mich doch an den organspendeausweis. in einigen ländern, beispielsweise in frankreich oder schweden, ist jede person automatisch organspenderin und muss sich explizit engagieren, um dies nicht zu sein. in deutschland: das gegenteil. um organspenderin zu werden, muss jede einzelne aktiv werden, sich so ein kleines zettelchen organiseren und es ausfüllen. klar, das ist keine große sache, insgesamt ist das auch in ein paar minuten gemacht. aber wir wissen doch alle: wenn es taten erfordert, bleiben diese häufiger aus. das zeigen auch statistiken, dass gerade in deutschland wirklich wenige einen solchen spenderausweis haben. so wären angeblich zwei drittel der deutschen bevölkerung zur organspende bereit, aber nur sehr wenige haben einen solchen ausweis (http://www.fuers-leben.de/files/reports/pdfs/repraesentativbefragung.pdf).

ok, mein kleiner exkurs zum organspendeausweis ist zu ende. was hat er überhaupt mit der kirche zu tun? weiterhin sind sich viele menschen nicht sicher, was mit ihnen nach dem tod geschieht. ob sie wohl auch ohne niere oder darm in den himmel kommen? moralische bedenken diesbezüglich sind oftmals aus religiösen überzeugungen gewachsen. und was hat der organspendeausweis zusätzlich mit dem kirchenaustritt zu tun? zum einen: sowohl beim kirchenaustritt als auch beim organspendeausweis wird es jeder person schwer gemacht, weil sie selbst aktiv werden muss. das ist bewusst gemacht und die frage ist, wer da an welchen fäden zieht. achtung: selbstdenken! zum anderen lernen wir: aktiv werden muss jede selbst! 

ach und übrigens: zum thema kirche als arbeitgeber gibt es hier eine interessante artikel-sammlung: http://www.labournet.de/branchen/dienstleistung/allg/kirche.html

Samstag, 30. Juli 2011

die kleinen dinge


eine leichte sommerbrise und vögelgezwitscher am morgen. rotes sonnenlicht am abend und ein feiner ton schöner musik im ohr. kinderlachen. ein warmes schaumbad. freundliche stimmen im gespräch. ein schattenplatz in der mittagshitze. ein lächeln. eine zarte berührung. ein gutes buch voller poesie. 

der duft einer rose. nicht der intensive kitschige, den einige an sich haben. der zurückhaltende, der milde duft manch einer rose. 

was braucht man mehr als diese kleinen dinge im leben, diese kleinen erquickungen, erfrischungen, belebenden fröhlich-machenden dinge?

manchmal braucht es mehr. da reichen die kleinen, die feinen schritte nicht aus. da reichen die kleinen, die feinen dinge nicht aus. da spürt man die sehnsucht nach etwas großem. da spürt man das verlangen danach, etwas unglaubliches zu tun. etwas weltveränderndes. etwas gigantisches.

und dann schaut man sich einfach etwas gigantisches im fernsehen an.

Freitag, 1. Juli 2011

bewölkt

wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke
wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke
wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke
wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke
wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke
wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke sonne wolke wolke wolke wolke
wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke
wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke
wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke
wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke wolke

morgens (11.12.2006)

der morgen ruft
ins leben mich zurück
versuch ich heute
mal wieder mein glück?

der morgen ruft
und macht mich wach
grad war ich noch müde
jetzt nicht mehr - ach!

der morgen ruft
und schlafen will ich nicht
stattdessen schreib ich
dies kleine gedicht.

Mittwoch, 22. Juni 2011

das pralle leben (22.02.2011)

sich immer wieder für das pralle leben entscheiden

lieber höhen und tiefen
als schmalspur auf einer ebene
lieber glücksgefühl und schmerz
als gleichgültigkeit
lieber freund und feind
als "mit allein ein bisschen"

nie müde werden!
sich immer wieder für das menschliche miteinander entscheiden
ungeachtet den verletzungen - vergangenen und zukünftigen -
nie resignieren, nie verbittern
immer etwas riskieren, auf das glück zu gehen
- niemals auf das glück warten

sich immer wieder für das pralle leben entscheiden