Freitag, 26. April 2013

von verantwortung

in bangladesch stürzte diese woche ein marodes fabrikgebäude in sich zusammen und brachte hunderten von menschen den tod. vor allem junge näherinnen sind es, die man bis jetzt zu bergen versucht. es erinnert an die brände, denen ähnliche fabriken in den letzten jahren immer wieder zum opfer fielen, teils mit verheerenden folgen. skandalös auch deshalb, weil in den meisten fällen notwendige sicherheitsvorkehrungen nicht getroffen worden sind, die diese toten hätten verhindern können. beim aktuellen fall schildern zeugen ausserdem, dass schon am morgen vor dem einsturz des gebäudes, risse in den wänden zu entdecken waren. als darauf hingewiesen wurde, passierte nichts, man liess die näherinnen weiterarbeiten, die sowieso schon unter schwierigen bedingungen ihre jobs machen (bericht auf tagesschau.de). hier wird unter so schlechten konditionen gearbeitet, damit wir im westen billig kleidung kaufen können. klar, selbstverständlich haben sowohl kik als auch c&a sofort eine zusammenarbeit mit dem unternehmen in bangladesch dementiert. es ist jedoch davon auszugehen, dass auch mit dem diesmal betroffenen unternehmen ether-tex eine kooperation vorhanden war oder ist. oder dass einem der anderen europäischen hersteller zugeliefert wurde.

wir tragen diese shirts und jeans, die junge frauen in 12-stunden-arbeitstagen auf engstem raum herstellen und die dabei noch nicht mal damit rechnen können, dass sich jemand um brandschutz oder ähnliches gekümmert hat. am liebsten denkt man darüber gar nicht nach, diesen reflex kenn ich nur zu gut. aber vielleicht sollte auch endlich umgedacht werden. wenn mein shirt nur 3 euro kostet, wer zahlt da eigentlich drauf? die arbeit der näherinnen hat auch immer mit uns zu tun.

Freitag, 12. April 2013

von selbstbestimmung

„in der gesamten menschheitsgeschichte leugnen sklaven, dass sie sklaven sind“ – dieser satz war diese woche von der femen-aktivitstin inna schewtschenko zu hören (artikel in der süddeutschen). sie bezieht sich damit auf den konflikt mit der „muslimah pride“-bewegung. muslimas aus verschiedenen ländern hatten sich gegen die femen-bewegung ausgesprochen und deutlich gemacht, dass sie sich nicht ausziehen müssten, um frei zu sein. und dass keine aussenstehende personen ihnen sagen soll, ob sie emanzipiert seien oder nicht.

aus schewtschenkos sicht ist das ganz klar: muslimische frauen sind unterdrückt, denn sie tragen ein kopftuch. sie glaubt, man müsse ihnen helfen, sich selbst aus der unterdrückung zu befreien. ihre sicht ist natürlich einseitig und sie ist auch gefährlich. denn einigen frauen zu sagen, was gut für sie ist – sei es noch so „gut gemeint“ – ist paternalistisch und deckt nur neue machtstrukturen auf. auch männer haben jahrhundertelang argumentiert, sie wüssten, was frauen brauchen.

nicht nur im bezug auf männer und frauen gibt es diese gefahr der gut gemeinten bevormundung. sie zieht sich quasi durch alle formen der entwicklungs-zusammenarbeit. die abwendung vom früheren begriff entwicklungshilfe zeigt, dass hier ein umdenken kam und es sind wichtige schritte getan worden. dennoch: wer entscheidet, was die andere braucht?

toll wäre natürlich, wenn jede das selbst entscheiden könnte. wenn die frau entscheiden kann, ob sie ein kopftuch trägt oder nicht. ob sie hausfrau wird oder die karriereleiter nach oben klettert. ob sie sich für femen auszieht oder nicht. ob sie sich prostituiert oder nicht. das problem daran: die ganze thematik ist mit der philosophischen frage verknüpft, inwiefern es freiheit gibt. kann es freiwilligkeit beispielsweise in der prostitution wirklich geben? das fragte sich auch die redaktion von emma im vergangenen dezember (kann prostitution wirklich freiweillig sein?). oder in schewtschenkos worten: kann ein sklave seine versklavung erkennen? und natürlich hat sie zu einem gewissen punkt recht: viele probleme werden nicht als solche erkannt, weil sie „normal“ sind, weil wir an sie gewohnt sind. aber auch alice schwarzer hat mich schon oft geärgert, weil sie zu wissen meint, was für die jungen mädchen das richtige ist. hatte sie sich nicht immer gegen bevormundungen dieser art zur wehr gesetzt?

leicht fällt es uns, von aussen zu entscheiden, was das richtige wäre. was aus unserer sicht freiheit, unabhängigkeit und selbstbestimmung ist. der schwierigere weg ist es, jede frau selbst entscheiden zu lassen, was diese werte für sie bedeuten. und sich trauen zu fragen, ob diese für mich wichtigen werte für eine andere frau vielleicht auch von so grossem wert sind? oder ob unsere vorstellungen davon, wie eine freie frau ist, sich nicht viel stärker unterscheiden? gleichzeitig wird hier einem relativismus der weg geebnet, der ebenso gefährlich sein kann. fakt ist: was freiheit bedeutet und wie ich sie verstehe, kann ich niemandem aufzwängen.

echte freiheit wäre ja, dies frei für sich entscheiden zu können.

Montag, 1. April 2013

vom schweigen

jetzt sind bald zwei monate vergangen, in denen ich mich nicht zur wort gemeldet habe. zwei monate, die voll von zu erledigendem kram waren und in denen ich auch noch ein wenig verreisen durfte. mein schweigen heisst nicht, dass es nichts zum empören gab und nicht, dass ich mir keine gedanken gemacht habe.

wie heisst es so schön? reden ist silber, schweigen ist gold. ohja, reden ist wichtig. es ist wichtig, laut aufzuschreien, wenn unrecht geschieht. es ist wichtig, unmut zu äussern, sich laut zu empören. und ja, es sind nicht immer die lauten stark, nur weil sie lautstark sind, damit hat konstantin wecker recht.

aber schweigen ist nicht immer nur eine wohltat. schweigen ist nicht immer eine ruheinsel, ein überbringer des guten und des friedens. schweigen macht einen unterschied. auch das nichts-tun ist eine tat. auch das zuschauen und zuhören ist eine handlung. wer nicht protestiert, lässt das geschehen zu, lässt es unkommentiert stattfinden und stimmt auf diese weise indirekt zu.

schweigen kann durch seine passivität schrecklich sein, gewalt und gar kriege herbeiführen. schweigen kann ohnmacht bedeuten und ohnmacht produzieren. schweigen wird wohl zu oft unterschätzt und viel zu häufig ausgeübt. schweigen verhindert zum beispiel oft zivilcourage. wieviele schweigen, wenn einer unserer mitmenschen wegen seiner hautfarbe oder anderen attributen beschimpft wird? schweigen kann wehtun, verletzen, im stich lassen. und manche auf diesem planeten profitieren davon, dass wir so mundfaul sind. dass wir vieles annehmen, ohne uns zu wehren.

so gilt manchmal: reden ist wilder, schweigen ist gewollt.