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Montag, 7. September 2015

eine stille revolution

wenn ich in den letzten wochen die schlagzeilen in der zeitung gelesen oder im radio gehört habe, war ich oft erschrocken. empört, frustriert, wütend, traurig, enttäuscht, schockiert, mutlos. brennende asylbewerber-unterkünfte, hassparolen auf demos und im internet, relativierende politiker, die tatenlos zusehen. meine frustration wurde jedoch auch durchbrochen durch berührende bilder. aufmerksame menschen, die durch sachspenden helfen. engagierte menschen, die ihre zeit und ihre energie einbringen. die die flüchtlinge aus aller welt willkommen heißen, ihnen einen guten start ermöglichen, ihnen ein wenig wärme in diesem kalten land geben. wenn ich diese menschen erlebe, wird auch mir warm. 

was sich derzeit weltweit an migration abspielt ist neu und einzigartig. diese situation ist durchaus als logistisches „problem“ zu begreifen. oft sehe ich auch keine gute lösung. was ich aber weiß: rassismus und hass sind niemals die lösung. was offensichtlich noch nicht alle wissen. zuviele menschen suchen engstirnige und egoistische lösungen. einige von diesen waren sogar selbst schonmal flüchtlinge, haben dies aber offenbar vergessen und messen mit zweierlei maß. 

das „problem“ ist also in dieser dimension noch nie da gewesen. aber auch die hilfsbereitschaft, die vielen engagierten menschen, auch die gab es in dieser form noch nie. die gesellschaft in deutschland hat gerade die chance, sich positiv zu entwickeln, sich auf den weg nach neuen lebensformen zu machen, sich zu öffnen und zu weiten. mich begeistert, zu erleben, wieviele menschen zum teilen bereit sind, egal ob es um kosten, um gegenstände, um zeit oder energie geht. während viele politiker bei dieser entwicklung noch hinterherhecheln, hat sich in der zivilgesellschaft eine stille revolution entwickelt, die sogenannte „willkommenskultur“ wird wahrgemacht. ich bin gespannt, wohin unsere gemeinsame reise geht. wir sind auf dem richtigen weg.

Dienstag, 18. August 2015

flüchtlinge im internet

der digital gap ist ein begriff aus der kommunikationswissenschaft, der auf die unterschiedlichen zugangschancen zu informations- und kommunikationstechnologie verweist. oft ist damit vor allem das internet gemeint. dieser unterschied in den zugangsmöglichkeiten zum internet hat häufig nicht nur technische gründe, sondern auch sozioökonomische. so sind beispielsweise in deutschland die zugangsmöglichkeiten für gutausgebildete, wohlhabende menschen in der regel besser als für bildungsferne und benachteiligte gruppen. auch im globalen zusammenhang lässt sich natürlich eine solche digitale kluft wahrnehmen.

es gibt immer mehr menschen, die der meinung sind, der zugang zum internet müsse eine art menschenrecht darstellen. denn in zeiten einer informationsgesellschaft sind schnell diejenigen ausgeschlossen, die nicht an den digitalen medien teilhaben können und werden abgehängt.

diese überlegungen sollten miteinfließen, wenn wir uns gedanken über internet in flüchtlingsunterkünften machen. dass dieser oft nicht besteht, darauf macht unter anderem die initiative freifunk aufmerksam. diese organisation engagiert sich für einen kostenlosen freien zugang zum internet für alle teile der bevölkerung. so auch für asylbewerber, die in übergangsheimen untergebracht sind. so wie beispielsweise in hamburg-harburg, in der seit kurzem 700 flüchtlinge internetzugang haben, weil sich ehrenamtliche ihre netzwerkkapazitäten teilen.

doch warum stellt der staat dies nicht einfach zur verfügung? offiziell soll er dies. doch in der realität sind diese internetzugänge nicht vorhanden. angeblich, weil man missbrauch des internets vermutet (artikel bei zeit online). ich finde es toll, wenn sich initiativen um wlan für flüchtlinge kümmern. aber warum müssen wieder teile der bevölkerung aufgaben übernehmen, die eigentlich die behörden organisieren sollten?

die frage ist ja auch, ob das nicht auch mit abgesicht so gelenkt wird. denn wer sich informieren kann, kann sich organisieren, vernetzen, auch unrecht recherchieren und anklagen. kurz gesagt: er bekommt macht. er wird ermächtigt. und diese vorstellung bereitet offensichtlich manchen behörden sorge. so selbstbestimmt wünschen sie sich die flüchtlinge vielleicht nicht? ein guter artikel von netzpolitik geht auch auf diese thematik ein – lesenswert. für mich ist klar: der digital gap sollte verkleinert werden.

in den letzten monaten war auch immer wieder zu hören, asylbewerber würden ja sogar mit smartphones rumlaufen, so schlecht könne es denen ja nicht gehen. hier gilt das gleiche. oft besitzen diese menschen quasi nichts als dieses smartphone. aber es ist für sie noch elementarerer als für mich und dich, die leserin. wer keinen computer hat, für den ist das smartphone die einzige möglichkeit, sich informationen aus dem netz zu beschaffen. deutsch zu lernen. und: zu kommunizieren. mit freunden und familie in der heimat, die man aus verschiedenen gründen verlassen musste. es ist der letzte rest an nähe, der letzte zipfel an vertrautem für viele, die in ein fremdes, kaltes land ziehen mit soviel hoffnung.

Donnerstag, 25. Juni 2015

besorgte bürger

liebe „besorgte bürger“ in freital!

schon seit beginn des jahres geht ihr auf die straße um gegen die unterbringung von asylbewerbern in eurem ort zu demonstrieren. jetzt, im juni, erreichen eure proteste ihren höhepunkt. von „besorgten bürgern“ ist in den medien und bei den politikern die rede. ich glaube euch, dass es zwischen euch menschen gibt, die sich einfach nur sorgen machen. leider mischen sich die besorgten aber auch mit rassistischen menschen und sogar mit rechtsextremen. für die sind eure sorgen nämlich ein gefundenes fressen! die warten nur darauf, dass in menschen diese gefühle aufkommen. und dann machen sie es sich sozusagen richtig gemütlich auf all den sorgen und bedenken und ängsten der leute und machen politik daraus. naja – gemütlich. sie schreien „wir wolln euch hängen sehn“ und zeigen die hässliche fratze von hass und rassismus und fremdenfeindlichkeit.

auch ich sorge mich zurzeit. ich sorge mich um die sogenannte „willkommenskultur“ die frau merkel schaffen möchte. ich sorge mich um die flüchtlinge, die in allen ecken nur angefeindet werden und die zum großteil doch schon traumatisiert ankommen. keiner verlässt seine heimat einfach nur aus spaß. keiner verlässt seine familie nur, weil er gerne ein bisschen besser leben will. jeder hat seine gründe, so einen weiten weg auf sich zu nehmen und alles vertraute hinter sich zu lassen. das können nicht nur „kleinigkeiten“ sein. vielleicht ist es nicht immer politische verfolgung, aber dann ist es unter umständen bittere armut. deshalb ist der begriff der „wirtschaftsflüchtlinge“ auch so unpassend und diskriminierend. und nur offensichtlich fehlt es vielen von euch an empathie, um das zu begreifen. 

ich bin besorgt. ernsthaft besorgt.
eure johanna

Sonntag, 7. Juli 2013

von zivilcourage

in den letzten wochen kamen immer wieder meldungen von vesuchten abschiebungen, die durch flugreisende verhindert oder zumindest aufgeschoben werden konnten (jetzt-süddeutsche). eines der faszinierenden beispiele war der kanadier françois-xavier sarrazin, der kurz vor seinem trip nach budapest erfuhr, dass mit ihm im flugzeug ein flüchtling in sein heimatland transportiert werden sollte. sarrazin weigerte sich im flieger, sich zu setzen und verhinderte so die abschiebung nach pakistan. die taz hat ein interview mit ihm gemacht (taz-interview), in dem er erzählt, wie diese ganze aktion ablief, die er überhaupt nicht geplant, sondern die ihn selbst überrascht hatte. er beschreibt, dass die menschen um ihn herum verängstigt waren und ihn baten, sich zu setzen. er tat es nicht, in der großen überzeugung, das richtige zu tun. ich bewundere diesen mann und diese aktion. auch wenn mir unklar ist, was mit dem pakistantischen flüchtling später passierte. es ist immerhin davon auszugehen, dass die abschiebung direkt mit dem nächsten flieger oder am nächsten tag erneut durchgeführt wurde. aber man stelle sich nur einmal vor, in jedem flugzeug wäre auch nur eine person, die die situation erkennt und eingreift! auf diese weise könnte bewirkt werden, dass die flüchtlinge zumindest das recht bekommt, mit einem anwalt zu sprechen. oder gar die chance, in deutschland bleiben zu können.

für die meisten von uns ist eine flugreise etwas schönes. sie bringt uns in ein fernes land, in dem wir uns weitgehend frei bewegen können.sie verspricht entspannung und erholung. oder sie bedeutet der schlichte transport zu einem geschäftlichen meeting. für andere jedoch kann der gleiche flug bedeuten, in ein land abgeschoben zu werden, das man längst nicht mehr heimat nennen kann. weil man dort gefahr läuft, eingesperrt, misshandelt, gefoltert oder gar getötet zu werden.

der gedanke macht mich traurig und wütend. ich denke an die liebenswerten menschen, die ich kennen gelernt habe. zum beispiel die junge frau aus einem westafrikanischen land, die aufgrund ihrer homosexualität von der familie bedroht wurde. sie flüchtete, weil ihr das leben genommen werden sollte. in deutschland angekommen, hat sie kaum eine chance, dies zu beweisen. homosexualität sei in dem land, aus dem sie kommt, ja gesetzlich nicht verboten, so die behörden. ob homosexuelle menschen jedoch vor ort gesellschaftlich anerkannt und akzeptiert werden, das interessiert hier keinen. und ich denke an den brief, in dem ihre mutter mit aller deutlichkeit schreibt: „komm ja nicht zurück, du bist nicht mehr teil unserer familie. wir werden dich töten“. und die behörden fragen: „woher sollen wir wissen, dass du nicht selbst diesen brief geschrieben hast?“ sie glaubten ihr nicht und forderten beweise.

die wut über diese vorgehensweise bereitet mir bauchschmerzen. was ist zu tun? ich glaube, es braucht den mut aufzustehn. es braucht die stärke, sich zu widersetzen. zivilcourage ist genau das, was in solchen situationen gefragt ist. denn wir als einzelpersonen können nicht die zustände in den herkunftsländern verändern. aber: wir können die zustände bei uns verändern. die verantwortung liegt auch bei uns.

nichts zu tun ist nicht neutral.

Donnerstag, 23. Februar 2012

tagebuch der empörung teil I

1.) frontex-mitarbeiter fassen asylsuchende mit gummihandschuhen an, als seien diese minderwertige wesen oder gar abfall.

2.) putin erklärt in seiner rede im moskauer olympiastadion luschniki, die russen seien ein siegervolk, der erfolg liege ihnen in den genen. glaubt er, teil einer wertvolleren rasse zu sein?
und die anhänger bejubeln ihn.

3.) us-amerikanische soldaten verbrennen in afghanistan ausversehen exemplare des korans. sollten sie sich nicht ausreichend mit der gesellschaft vor ort auskennen und wissen, dass das eine todsünde im islam ist?
(dies sage ich im übrigen, ohne die afghanische reaktion entschuldigen zu wollen)

Donnerstag, 16. Februar 2012

deutsche gastfreundschaft

asylpolitik macht mich fast immer wütend. für mich ist sie jedesmal ein wichtiges kriterium bei den wahlen und tatsächlich muss ich immer wieder feststellen, dass in bezug auf asylpolitik eigentlich keine partei wählbar ist.

ich bin auch in diesen tagen immer wieder aufs neue entsetzt. obwohl offensichtlich ist, wie die situation in syrien derzeit ist, gibt es in deutschland bis auf schleswig-holstein keinen abschiebestopp für syrische flüchtlinge. und wer nach deutschland kommt, hat oft unter menschenunwürdigen bedingungen zu leben.

anfang des jahres protestierten jugendliche flüchtlinge, vorwiegend aus afghanistan, mit einem hungerstreik gegen die situation in der stillgelegten bayernkaserne in münchen. sie hatten nicht die versprochenen deutschkurse erhalten. eine aggressive atmosphäre breitete sich in der überfüllten erstaufnahmeeinrichtung aus, viele der minderjährigen flüchtlinge konnten nachts nicht schlafen vor angst. wer hier ruhe zum lernen sucht, findet kaum einen stillen ort. und wer hilfe sucht, findet selten einen ansprechpartner. für ein paar tage ist eine solche unterkunft akzeptabel, nicht aber für einige monate, wie das in der bayernkaserne der fall ist.

eine neue dokumentation der martin-niemöller-stiftung gemeinsam mit pro asyl zeigt, wie heftig auch die bedingungen in der sogenannten abschiebungshaft sind. in die abschiebehaft kommen nach §62 des aufenthaltsgesetzes all jene flüchtlinge und migrantinnen, die ausreisepflichtig sind, abgeschoben werden sollen und ihnen unterstellt werden kann, dass sie sich ihrer abschiebung entziehen könnten. etwas verbrochen haben diese menschen demnach nicht. dennoch werden sie häufig für mehrere monate in die abgeschiebehaft gesteckt, in denen oft erbärmliche zustände vorherrschen. die bedingungen sind von bundesland zu bundesland sehr unterschiedlich, wie die aus der dokumentation entstandene tabelle zeigt (haftbedingungen im überblick). in manchen dieser abschiebehaftanstalten haben die flüchtlinge nur zwei stunden hofgang täglich, dürfen kaum besuch empfangen oder telefonieren. Mahlzeiten müssen in den einzelnen zellen eingenommen werden. teilweise ist sogar gefangenenkleidung pflicht.

dies entspricht in etwa den bedingungen von strafvollzug und widerspricht damit der europäischen rückführungsrichtline, nach der sich abschiebungshaft deutlich von strafhaft unterschieden muss.

um es nochmal zu betonen: diese menschen haben nichts verbrochen.

pro asyl berichtet auch, dass viele menschen rechtswidrig in abschiebungshaft genommen werden. oftmals werden diese flüchtlinge dann nach einer gerichtsentscheidung freigelassen. daher ist es neben menschlichen unterbringungsumständen umso wichtiger, abschiebungshäftlingen zugang zu einer unabhängigen und guten rechtsberatung zu gewähren.

natürlich kann flüchtlingen nicht die heile welt europas präsentiert werden, die sie sich vielleicht in der fernen heimat vorgestellt haben. und leider haben wir wenig einfluss auf die eliten in manchen ländern, die macht ausüben und lebensformen bestimmen. aber wir haben einfluss darauf, wie wir verfolgte menschen, die eben aus diesen unterdrückenden bedingungen entfliehen, hier behandeln. wir, die europäische gesellschaft, die sich heute so satt und zufrieden im kissen räkelt, hat jahrelang von den kriegen und vom leid anderer nationen profitiert. diese verantworung, ja diese altlasten, haben wir zu tragen. auch die würde des flüchtlings sollte unantastbar sein.