Montag, 1. April 2013

vom schweigen

jetzt sind bald zwei monate vergangen, in denen ich mich nicht zur wort gemeldet habe. zwei monate, die voll von zu erledigendem kram waren und in denen ich auch noch ein wenig verreisen durfte. mein schweigen heisst nicht, dass es nichts zum empören gab und nicht, dass ich mir keine gedanken gemacht habe.

wie heisst es so schön? reden ist silber, schweigen ist gold. ohja, reden ist wichtig. es ist wichtig, laut aufzuschreien, wenn unrecht geschieht. es ist wichtig, unmut zu äussern, sich laut zu empören. und ja, es sind nicht immer die lauten stark, nur weil sie lautstark sind, damit hat konstantin wecker recht.

aber schweigen ist nicht immer nur eine wohltat. schweigen ist nicht immer eine ruheinsel, ein überbringer des guten und des friedens. schweigen macht einen unterschied. auch das nichts-tun ist eine tat. auch das zuschauen und zuhören ist eine handlung. wer nicht protestiert, lässt das geschehen zu, lässt es unkommentiert stattfinden und stimmt auf diese weise indirekt zu.

schweigen kann durch seine passivität schrecklich sein, gewalt und gar kriege herbeiführen. schweigen kann ohnmacht bedeuten und ohnmacht produzieren. schweigen wird wohl zu oft unterschätzt und viel zu häufig ausgeübt. schweigen verhindert zum beispiel oft zivilcourage. wieviele schweigen, wenn einer unserer mitmenschen wegen seiner hautfarbe oder anderen attributen beschimpft wird? schweigen kann wehtun, verletzen, im stich lassen. und manche auf diesem planeten profitieren davon, dass wir so mundfaul sind. dass wir vieles annehmen, ohne uns zu wehren.

so gilt manchmal: reden ist wilder, schweigen ist gewollt.

Dienstag, 12. Februar 2013

ich habe es satt

ich habe es satt, mir stammtischparolen anzuhören. seit mit brüderle die sexismus-debatte aufkam, die ich wichtig und richtig finde, höre ich soviele flapsige sprüche, unüberlegtes und unreflektiertes, dass ich es langsam nicht mehr aushalte. viele menschen verstehen immer noch nicht die unterschiede zwischen sexualisierung und sexismus. viele menschen können nicht unterscheiden zwischen einem flirt auf augenhöhe und einer anmache, die nur das geschlecht in der person sieht. die herabwürdigend, erniedrigend ist. die einer grabscherei ähnelt und manchmal sogar mit einer einhergeht.

ich habe es satt, mich als frau zu wappnen gegen solche grabschereien und sexistische sprüche. wie alle menschen auf der welt würde ich gern ohne sorge leben und mich so kleiden, wie es mir gefällt. und nicht so, wie ich mich am wenigsten angreifbar mache. wie alle menschen auf der welt möchte ich nicht auf mein geschlecht reduziert werden, sondern als person wahrgenommen werden. wie alle menschen auf der welt habe ich ein recht auf würde. als johanna, als frau, als mensch.

ich habe es satt, menschen erklären zu müssen, was eine tanzdemo – wie die von der intiative one billion rising – bringen könnte. wo, wenn nicht im kleinen, müssen wir beginnen, aufmerksamkeit zu erregen, denkanstösse zu geben, zu erinnern an das, was schiefläuft? warum sollte eine kleine, positive aktion nicht gegen etwas negatives ankämpfen können?

ich habe es satt, in diskussionen den vorwurf zu bekommen, zu emotional zu werden. ohja, ich bin emotional. all diese themen und ereignisse weltweit greifen mich als johanna, mich als frau, mich als mensch an. ich bin nicht losgelöst von dem, was einer jungen studentin in delhi passiert. mich lässt nicht kalt, wenn ich von beschneidungen kleiner mädchen höre. mich betrifft es, wenn in einer bar eine frau angesprochen wird mit „du könntest ja auch gut ein dirndl füllen“. diese emotionen, die dies alles in mir weckt, sind nicht schlecht, sind nicht falsch. sie sind menschlich.

ich habe es so satt.

Dienstag, 15. Januar 2013

von rache

seit wochen nun hören und lesen wir von den missbrauchsfällen in indien. losgetreten wurde das ganze durch eine brutale vergewaltigung einer jungen studentin in neu-delhi. mich hat in diesem zusammenhang der leitartikel der wochenzeitung „die zeit“ vom 10.1. besonders berührt. der autor schreibt darin von den umständen des prozesses und der bestrafung der täter. leicht nachvollziehbar erscheint der ruf nach rache und nach der todesstrafe, haben doch diese menschen so etwas unmenschliches grausames getan. haben sie etwas anderes verdient? 

in einer demokratie darf es nicht darum gehen, ob jemand etwas verdient hat oder nicht. sondern es geht um gleichheit vor dem gesetz und das recht jedes einzelnen, einen verteidiger zu haben. und nicht sofort getötet zu werden. der zeit-autor weist in seinem artikel nachdrücklich auf die gefährlichen wege hin, wie mit den empörten forderungen eingeschlagen werden. 

empörend sind die fakten, die jetzt endlich öffentlich werden: indische frauen werden unglaublich oft opfer von belästigungen und vergewaltigungen, allein in der stadt neu-delhi soll angeblich alle 18 stunden eine frau vergewaltigt werden. was aber dahinter liegt, ist ebenso empörend: die frau ist nicht viel wert in der ach so gelobten „größten demokratie“ der welt. schon von klein auf sind mädchen unerwünscht, weil das system es vorsieht, dass sie nur geld kosten, aber keines reinbringen kann. ein sohn ist immer noch in indien viel mehr wert als eine tochter, weswegen nach pränatalen geschlechtsbedigungen weibliche föten abgetrieben und kleine mädchen getötet werden. davon erzählt auch in diesem eindrucksvollen interview die indische ärztin dr. mitu khurana, die sich seit jahren gegen diese vorgehensweisen engagiert: interview der ard.

was ist zu tun? es ist großartig, dass in indien die menschen nun darüber sprechen, auf die straße gehen und sich wehren, männer wie frauen gleichermaßen. wir hier in deutschland können wohl nicht viel tun, außer unsere empörung hinausschreien und uns solidarisch zu zeigen mit den indischen frauen. und: dafür sorgen, dass dieses thema verstärkt wahrgenommen und problematisiert wird. weil man endlich darüber spricht.

Dienstag, 4. Dezember 2012

tagebuch der empörung VII

1. die cdu streitet um die steuerliche gleichstellung von homosexuellen. angela merkel spricht sich gegen diese aus, weil die aus ihrer sicht normale heterosexuelle ehe den prinzipien einer familie entspricht und damit auch vom staat besonders geschützt werden müsse. auch horst seehofer betont die notwendigen privilegien der heterosexuellen ehe. hört man diese worte der politikerinnen und politiker, fragt man sich schon, in welchem jahrhundert wir uns befinden. unabhängig von der sexuellen orientierung können sich doch menschen dafür entscheiden, sich dauerhaft zu binden. und darum sollte es doch gehen, oder nicht?

während natürlich eine weitere grundsätzliche überlegung ist, ob die steuervorteile von verheirateten noch zeitgemäss sind. widersprechen sie nicht einer gesellschaftlichen realität?

2. saudi-arabien bekundet interesse an panzern aus deutschland. es geht um mehrere hundert radpanzer des modells „boxer“, die zu den modernsten gefechtsfahrzeugen gehören. sie sollen von der königlichen garde eingesetzt werden. die deutsche regierung wiederum will diesen deal nicht ausschliessen, sondern hat ihn vorerst nur verschoben. eine studie des stockholmer friedensforschungsinstitutes sipri zeigt, dass deutschland in den jahren zwischen 2005 und 2009 seine rüstungsexporte mehr als verdoppelt hat. vor allem der verkauf von kriegsschiffen und militärfahrzeugen ist deutlich angestiegen (bericht in der tagesschau). In den jahren zuvor hatte die deutsche bundesregierung bezüglich rüstungsexporten eher zurückhaltend agiert, damit scheint nun schluss zu sein. vor allem bei ländern wie saudi-arabien, die eine problematische menschenrechtslage haben, sollten jedoch bedenken bestehen und nicht nur finanzielle aspekte im vordergrund stehen. so wird beispielsweise von organisationen wie amnesty international vermutet, dass auch politische unruhen im land mit dem panzer bekämpft werden können und so mit deutscher hilfe die saudi-arabische regierung eventuelle aufstände niederschlagen kann. und sowieso: dass einige vom krieg anderer profitieren ist eine echte perversion.

3. es geht einfach immer nur ums geld. der brand in einer textilfarbik in bangladesch vergangene woche zeigte erneut, wie andere für unsere billige kleidung leiden. über hundert menschen, vorrangig junge näherinnen, sind bei diesem unfall ums leben gekommen. mangelnde sicherheitsvorkehrungen waren der grund dafür. notausgänge seien verschlossen gewesen, feuerlöscher hätten nicht funktioniert, so heisst es. Interessanterweise verweisen discounter wie kik nun darauf, dass wohl die asiatischen produzenten noch keinen blick für die notwendigkeit des feuerschutzes hätten (bericht auf ntv.de). der punkt ist, dass auch die europäischen auftraggeber, für die diese fabriken produzieren, ein auge darauf haben sollten und nun nicht auf so billige weise die schuld abweisen können. möglichst billig produzieren, damit wir in den industriestaaten uns günstig einkleiden können. hier werden menschenleben aufs spiel gesetzt, um den preis zu drücken. billig ja, aber immer auf kosten anderer!

Donnerstag, 22. November 2012

einfach billig

werbung mit nackten oder leichtbekleideten frauen gibt es viele. eine aktuelle werbekampagne jedoch hat wirklich eine grenze überschritten: die vom onlineshop redcoon: http://www.youtube.com/watch?v=lmvoimj59pi

hier werden frauen wie gina-lisa lohfink, micaela schäfer, jordan carver und sandra lang gezeigt, die es scheinbar als kompliment sehen, „billig“ auszusehen. alles in diesen spots, die im fernsehen gezeigt werden aber auch durchs internet kursieren, dreht sich um den begriff „billig“. da wird aufgeführt, wie „billig“ es die verschiedenen frauen mögen, z.b. „jordan mag es extrem billig“ und währenddessen werden die brüste von jordan carver in grossaufnahme präsentiert. dafür müssen wir noch nicht mal ihr gesicht sehen. warum auch? um das gesicht geht es hier ja gar nicht.

für mich ist der anblick dieser werbespots unerträglich. ich ärgere mich und frage mich, was hier für eine vorstellung vermittelt wird, wie eine frau sein sollte und könnte. „billig“ zu sein scheint etwas ganz grossartiges und erstrebenswertes.

und was bedeutet das eigentlich – „billig“? es spielt auf die käuflichkeit von frauen an. die frau muss einfach nur überdimensionale brüste haben oder sonstwie so gebaut sind, dass männer es ganz herrlich finden, und dann ist sie viel wert. und dann kann man sie auch haben?

mich würde bei solchen werbekampagnen interessieren, wie die protagonistinnen über ihre darstellung denken und ob in der produktion weitere frauen beteiligt waren. oder ob das alles aus männer hand entstanden ist. und ich frage mich, ob diese frauen wirklich so ihre emanzipation feiern wollen (so sehen sie es vielleicht sogar). es sind wirklich werbespots, die verboten gehören, weil ich mich hier beleidigt und auch als frau diskriminiert fühle. und ich glaube kaum, dass ich allein damit bin.

billig ist hier nur der werbespot.

Samstag, 27. Oktober 2012

kleine ungenauigkeiten

wann sind kleinigkeiten echte kleinigkeiten? wann ist eine ungenauigkeit nur ein fehler und wann eine beleidigung? wo ziehen wir die grenze, was akzeptiert werden muss?

ich konnte diese woche wieder mal erfahren, dass viele menschen nur unverständnis äußern, wenn man sich über sexismus beschwert. wieder konnte ich mir dem vorwurf anhören, eine alte feministin à la alice schwarzer zu sein. auch wenn mir der vergleich ziemlich stinkt. auch sind die leute an sich schon empört über die tatsache, dass man scheinbare kleinigkeiten thematisiert. ja, es gibt dinge, die sind tatsächlich banal. es gibt zum beispiel rechtschreibfehler, die eher niedlich oder einfach völlig egal sind. aber es gibt auch solche, die den worten einen neuen sinnzusammenhang geben und dann gibt es unter umständen doch einen grund, sie zu korrigieren. 

und so fing alles an: vor ein paar tagen habe ich eine email an einen küchengestalter geschrieben, weil mir die werbung dieses unternehmens unangenehm aufgefallen war. sie werben auf einem bus mit dem slogan „mit kreativität machen wir ihre traumküche bezahlbar“. bemerkenswert daran ist, dass das possesivpronomen „ihre“ klein geschrieben war, es also nicht wie eine höfliche anrede sondern als ob es hier um frauen ginge. man könnte dem unternehmen unterstellen, dass in dieser werbung tatsächlich impliziert werden sollte, dass küchen sowieso ein frauenthema sind und daher es nur um "ihre traumküche" (nämlich die der frau) gehen kann. dass es schlicht eine sexistische werbung ist. ich ging eher davon aus, dass es tatsächlich einfach ein rechtschreibfehler ist. trotzdem verwundert mich, dass er nie bemerkt worden ist und, da er dem satz eine neue bedeutung gibt, fände ich persönlich es auch angemessen, den fehler zu korrigieren. was tat ich also? ich fotografierte die buswerbung und stellte dem küchengestalter per mail die frage, ob diese schreibweise beabsichtigt sei. und falls nein, warum der rechtschreibfehler nie behoben worden ist.

ich erhielt sehr zügig eine wirklich freundliche antwort vom chef des unternehmens, in dem er mir versichert, dass es tatsächlich nur ein fehler sei. dieser sei noch nie festgestellt worden und soll nun korrigiert werden. ich bin sehr zufrieden mit seiner reaktion. unzufrieden bin ich mit der reaktion von einigen menschen in meinem umfeld. bei facebook hatte ich den mailverkehr für meine bekannten und freunde öffentlich gemacht und diese kommentierten ihn zahlreich. die meisten begannen darauf herumzuhacken, wie kleinlich diese aktion doch sei. eigentlich sei es so ein banaler fehler und diesen nun zu korrigieren, koste das unternehmen geld und dann wurde ich auch gefragt, ob ich eigentlich nichts besseres zu tun habe oder unter langweile leide.

nein, ich habe keine langeweile und ich habe tatsächlich trotzdem nichts „besseres“ zu tun. ich glaube, dass gerade diese kleinen ungenauigkeiten, diese unbeabsichtigten formulierungen bedeutsam sind. ich finde es wichtig, auf sie hinzuweisen und über sie zu sprechen. natürlich kann man darüber diskutieren, ob es notwendig ist, diese werbung nun korrigieren zu lassen. auf so eine diskussion lasse ich mich sehr gerne ein. aber mit fast beleidigenden sprüchen auf die aktion zu reagieren ist einfach nur billig. da frage ich mich: habt ihr eigentlich nichts besseres zu tun?

ich stelle ausserdem dabei fest: feminismus ist nicht „salonfähig“, sondern wird immer noch belächelt (siehe auch: vom feminismus).

wo wollen wir beginnen, die gesellschaft zu verändern, wenn nicht im kleinen? und überhaupt: wenn man so denkt, gibt es eigentlich diese kleinigkeiten gar nicht. kleinigkeiten sind manchmal eben nicht nur kleinigkeiten. sie sehen nur so aus.

Freitag, 5. Oktober 2012

feilschen erlaubt

die welt ist aus meiner sicht wie ein gigantischer marktplatz voller angebote an situationen, gegenständen und personen.

viele menschen glauben weiterhin, es gäbe hier fixe preise. vermutlich einfach, weil sie fixe preise gewohnt sind. ihnen ist nicht klar, dass wir nicht alles nehmen und kaufen müssen, was uns angeboten oder aufgeschwätzt wird. sondern dass es auch dinge und situationen gibt die wir ablehnen können und teils auch müssen. weil uns der preis zu hoch ist oder einfach, weil uns das betreffende nicht gefällt.

und ein weiteres prinzip ist vielen menschen fremd geworden: das feilschen. wie auf einem flohmarkt oder einem indischen basar müssen die preise und auch die gegenstände immer wieder ausgehandelt werden, bevor wir sie mitnehmen. viele menschen halten idealismus für lächerlich, weil sie die bedingungen des feilschens vergessen haben: die kundin fordert immer etwas, was über seine eigenen erwartungen hinausgeht. wohlwissend, dass die verkäuferin das gleiche tut. irgendwo in der mitte treffen sich verkäuferin und kundin und im besten fall können beide seiten zufrieden sein.

ich denke, wir müssen uns hohe ziele, hohe ideale stecken, um zumindest den weg dahin zu begehen. beim ersten kompromiss nicht gleich aufgeben und nicht gleich argumentieren, es lohne sich ja doch nicht, zum beispiel auf die strasse zu gehen und zu demonstrieren.

unter diesem aspekt hören sich doch songs wie das wunderbare „keine macht für niemand“ von ton steine scherben (youtube-link) gleich ganz anders und gar nicht so abgefahren absurd an, oder?